Da haben wir den Glueckssalat
als würde sich nichts jemals ändern, jedenfalls nicht wirklich.
Wir halten an der Sackett Street. Vic deutet auf eine Reihe idyllischer Sandsteinhäuser und erklärt mir, wo seine Cousins und Freunde früher lebten.
» Und meine erste Freundin wohnte hier…« Vic deutet auf eines der Häuser mit hohen Erkerfenstern und Rosensträuchern im Vorgarten.
» Herrliche Rosen«, bemerke ich.
» Diesen Strauch dort habe ich ihr bei unserer zweiten Verabredung geschenkt.«
» Oh! Und, was ist passiert? Haben Sie sich getrennt?«
» Nein, ich habe sie geheiratet. Sie ist gestorben.«
Ich überlege, was ich sagen soll, aber mir fällt nichts ein, also hake ich mich stattdessen einfach bei ihm ein. Sein Arm kommt mir viel kräftiger vor, als er aussieht. Bestimmt war Vic einmal ein starker Mann in jungen Jahren.
» Hier sind wir!«, sagt er eine Minute später.
Ich sehe ein großes Restaurant mit einem Schild über dem Eingang, auf dem in verschnörkelter Fünfzigerjahreschrift Bartolo’s steht.
Körperliche Arbeit, ich komme.
4
Nachdem ich drei Tage im Bartolo’s gekellnert habe, tut mir der Rücken weh, ich habe Blasen an den Füßen, meine Ohren klingeln von dem Kindergeschrei, und meine Haare riechen nach Knoblauch und Bratfett.
Aber ich verdiene Geld.
Und das ist notwendig, damit ich in New York bei meinen Freundinnen bleiben und mein Leben beginnen kann. Ich weiß nicht, was als Nächstes kommt, aber im Moment brauche ich diesen Job einfach, um zu überleben.
Das Bartolo’s ist die Sorte Restaurant, die ich normalerweise meide, aber nachdem ich dreiunddreißig Stunden dort gearbeitet habe, liebe ich es. Die gesamte Einrichtung wurde von Vic und seinem Bruder 1948 konzipiert und installiert. Heute ist der Boden wellig und abgetreten, und das Geschirr passt nicht zusammen, weil man das ursprüngliche, das vor sehr, sehr langer Zeit angeschafft wurde, nicht mehr nachkaufen kann. Die hintere Wand ziert ein schlecht gemaltes italienisches Landschaftsporträt, an den übrigen Wänden hängen unzählige Fotografien. Im Hintergrund dudeln Frank Sinatra, Tony Bennett und Perry Como in einer Endlosschleife.
Aber das Lokal strahlt dieselbe nachbarschaftliche Wärme aus, die ich schon im Esposito wahrgenommen habe. Die Gäste kommen nicht hierher, weil sie durch Werbung darauf aufmerksam geworden sind oder weil das Bartolo’s zum Top-Restaurant des Monats gekürt wurde, sondern weil die Küche gut ist und man hier immer herzlich willkommen geheißen wird.
» Pia!«, brüllt Angelo. Er kommt in die Küche gelaufen, wo ich gerade ein Schwätzchen mit seinen Cousins Ricky und Vinnie, den Köchen, halte. » Was hast du schon wieder hier verloren? Tisch zwei!«
» Sie hat uns bloß mit dem Rucola geholfen.« Vinnie findet Rucolasalat zum Schreien komisch: Es ist das einzige neue Gericht auf der Speisekarte seit zehn Jahren. Mittlerweile zieht anscheinend jedes andere Restaurant in Brooklyn seinen Salat im eigenen Biogarten.
Tatsächlich haben Ricky und Vinnie mich gerade über Jonah aufgeklärt, den süßen Barmann (stellt euch eine Mischung aus Cowboy und Surfer vor, sehr blond, sehr scharf). Heute Abend haben wir zum ersten Mal zusammen Schicht, und wir haben ein paar tiefe Blicke gewechselt. Aber mir ist nicht verborgen geblieben, dass er auch mit einer der anderen Kellnerinnen flirtet, Bianca (eine Mischung aus Punk und Hipster mit einem verkniffenen Gesicht und abrasierten Haaren auf einer Seite– ihr wisst schon, die Sorte Mädchen, die andere Mädchen nicht leiden kann). Laut Vinnie ist zwischen den beiden nichts gelaufen, aber Ricky meint, dass Bianca sich letztes Wochenende an Jonah rangeworfen hat. Ich schwöre, Männer sind die schlimmsten Tratschweiber.
An Tisch zwei sitzen eine sehr hübsche junge Mutter und ein Vater mit ihren beiden Kindern. Der kleine Junge, der ungefähr drei oder vier sein muss, erzählt gerade etwas.
» Und dann… Mom? Mom? Mom? Mom, da war ein Hund, der hat überall rumgeschnüffelt…« Er ist so aufgeregt, dass er die Worte kaum herausbringt. » Und dann hat er laut gepupst!« Er kreischt auf und fällt kichernd von seinem Stuhl.
Ich muss lachen und bücke mich, um ihm hochzuhelfen.
» Oh, danke«, sagen die Eltern im Chor.
Sie tragen beide tadellosen Brooklyn-Chic. Ich bin mir ziemlich sicher, dass die Jeans des Vaters mehr gekostet haben, als ich heute Abend verdienen werde, und für die Jacke seiner Frau gilt das ganz bestimmt.
» Gabe, keine Pupsgeschichten am
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