… da war'n es nur noch drei - Disconnected ; 1
dann eben anschließend. Das Wetter soll wieder besser werden.“
Mein Vater nickt eifrig. Offenbar hätte er gerne, dass alles harmonisch abläuft. Ob er derselben Meinung wäre, wenn er wüsste, dass seine Frau ihm mit ihren klebrigen Familienausflügen und Willkommenskoteletts ganz frech und direkt ins Gesicht lügt?
„Das klingt toll. Es gibt nichts Schöneres, als an einem Sommertag in den Dyrehaven zu fahren“, sagt mein Vater.
Meine Mutter lächelt angestrengt verständnisvoll. Ich habe keine Lust auf Koteletts; lieber bereite ich der Vorstellung hier am Tisch ein jähes Ende.
„Ich habe keine Lust“, sage ich.
„Bist du verabredet?“
„Nein, ich habe einfach nur keine Lust. Wenn ihr im Dyrehaven herumlatschen und heile Familie spielen wollt, dann bitte ohne mich.“
„Mateus ...“
Ich stehe auf und schmeiße absichtlich meine Serviette auf den Boden. Gute Manieren sind hier nicht angebracht. Ihr Sohn ist hoffnungslos verloren; genau wie ihre Ehe.
„Mateus, bleib doch bitte sitzen“, fleht meine Mutter verzweifelt. Sie ist nicht einmal richtig wütend, sondern wahrscheinlich einfach nur erschrocken, weil sie mich verloren hat – ihre verlässliche Stütze. Ich sehe meinen Vater an, aber er gibt keinen Ton von sich. Dann entferne ich mich nach oben, zwei Etagen weit weg von ihnen. Trotzdem kann ich ihren Streit hören, den sie erst ein paar Stunden später anfangen, als sie denken, ich wäre schon eingeschlafen. Ich schließe meine Tür ab und drehe meinen iPod maximal auf. Als es nach Mitternacht ist, hören sie endlich auf zu streiten. Ich kann hören, wie unten die Tür zum Gästezimmer geöffnet und geschlossen wird.
Schlaf gut, Papa. Im Gästebett.
Eigentlich hasse ich frühes Aufstehen, aber es mindert das Risiko, meinen Eltern zu begegnen. Als ich bereits geduscht und gefrühstückt habe, schlafen sie noch immer hinter ihren getrennten Türen. Einer plötzlichen Eingebung folgend checke ich meine Mails. Von Jonathan gibt es nichts Neues, obwohl er längst wieder aus dem Krankenhaus entlassen wurde. Dafür habe ich eine Nachricht von Ikarus. Ich schiele auf die Uhr. Es ist fast sieben, und meine Mutter steht selten später auf, auch nicht, wenn sie frei hat. Aber meine Neugier siegt. Ich klicke die Nachricht an.
Frag deinen Freund: Wer ist Jacob A A?
Jacob wer?
Jacob mit zwei Nachnamen, die mit A anfangen?
Oder Jacob mit einem Nachnamen, der mit einem Doppel-A beginnt? Wie Aaberg oder Aakjær zum Beispiel?
Oder Jacob von den Anonymen Alkoholikern?
Der Name sagt mir rein gar nichts. Obwohl Jacob ein normaler Name ist, kenne ich niemanden, der so heißt. Ich schicke eine Nachricht zurück und schreibe, dass Ikarus selbst fragen soll, wenn er unbedingt wissen will, wer Jacob A A ist.
Auf dem Treppenabsatz begegnet mir meine Mutter, die gerade im Bademantel das Schlafzimmer verlassen hat. Ich erwarte ihren üblichen Versuch, mich aufzuhalten, aber sie starrt nur auf den Boden und sagt nichts. Sie hat mich noch nie einfach so gehen lassen, ohne wenigstens eine Ermahnung loszuwerden, dass ich vorsichtig fahren soll. Dort draußen lauern ja so viele Gefahren, und zwar nicht nur am Wochenende, denn an normalen Werktagen muss man sich vor dem Verkehr in Acht nehmen. Doch sie verabschiedet sich nicht einmal. Verschwindet einfach nur im Bad und stellt die Dusche an.
Am Nachmittag spiele ich drei Stunden lang Basketball. Umsechs gehen Schrank und Schiebetür, und dann sind nur noch ich, Street-Sune und Tobias übrig. Wir gehen zu Tobias, wo mich ein halber Kasten Bier und fünf Stunden Playstation unglücklicherweise daran hindern, nach Hause zu gehen, bevor sich meine Eltern schlafen gelegt haben. In getrennten Betten.
Nach einem Monat ist es nicht länger neu, ein Gymnasiast zu sein. Die Namen und die Typbestimmung der neuen Klassenkameraden bereiten keine Probleme mehr, der einleitende soziale Spurt ist überstanden. Jetzt geht es vor allem darum, auf lange Sicht zu überleben. Mittlerweile kann ich meinen Stundenplan auswendig und muss ihn nicht länger aus der Tasche holen, um zu wissen, welches Fach und welcher Raum als Nächstes an der Reihe sind. Ich kenne Angebot und Preise der Kantine und weiß, dass man den Eintopf am Freitag meiden sollte, weil er alle Reste enthält, die im Laufe der Woche übrig geblieben sind. Was die Hausaufgaben betrifft, haben die Lehrer uns anfangs noch mit Samthandschuhen angefasst, mittlerweile drücken sie aber ordentlich auf die Tube. Jeden
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