… da war'n es nur noch drei - Disconnected ; 1
Nachmittag vergrabe ich meine Nase für mindestens zwei Stunden in den Büchern, plus fünf bis sechs Stunden am Wochenende. Eigentlich hatte ich gedacht, dass Nick und ich bei der Arbeit kooperieren könnten. Ein Plan, der von vornherein zum Scheitern verurteilt war, wie sich bald schon herausstellen sollte. Nick lässt die Hausaufgaben bereits jetzt schleifen und hat noch dazu eine Tendenz, die Unterrichtsstunden an den Randzeiten zu verpassen.
Nach einem Monat weiß ich auch, wer die anderen Jungs in der Klasse sind, mit denen ich die nächsten drei Jahre zusammen etwas zu tun haben werde. Lustigerweise ist ausgerechnet Rasmus einer von ihnen. Nachdem wir aufgehört hatten, um Livs Aufmerksamkeit zu buhlen, stellte sich nämlich heraus,dass er eigentlich ein ziemlich netter Typ ist. Mit den Mädchen verhält es sich anders. Bisher habe ich mich mit keiner von ihnen länger unterhalten und bin eigentlich auch nicht daran interessiert. Meine Augen würden in den Stunden immer noch am liebsten zu Liv wandern.
Sie ist mit Jonathan zusammen.
Das weiß ich durch Gerüchte, die in der Klasse kursieren. Jonathan ist hier als der Junge bekannt, der nur zwei Stunden lang aufs Gymnasium ging, was wahrscheinlich einen neuen Rekord darstellt. Ein paar Mal habe ich sie zusammen gesehen. Das eine Mal auf der Østerbrogade, wo sie Hand in Hand mit dem Rücken zu mir liefen, woraufhin ich blitzschnell in eine Seitenstraße abbog. Ein anderes Mal wollte ich gerade das Kastellet betreten, als ich sie durch die Fenster sah. Sie saßen dicht nebeneinander an einem Tisch. Liv lächelte sanft und schien Jonathans Ausführungen zu lauschen, aber ich glaube nicht, dass sie ihm wirklich zuhörte. Sie war viel zu sehr damit beschäftigt, ihn anzusehen. Die Verliebtheit strahlte aus ihrem Gesicht.
Wenn ich nachmittags oder an den Wochenenden über meinen Hausaufgaben sitze, oder wenn ich mit meinen Zeitungen die Treppen rauf- und runterrenne, dann denke ich an Livs Lächeln, als sie Jonathan anhimmelte, und die Eifersucht bohrt sich wie ein Wurm in mich hinein. Denn obwohl ich es anderen gegenüber nie zugeben würde, bin ich immer noch in sie verknallt.
An einem langweiligen Dienstagnachmittag sitzt sie in der Kantine, als ich mir einen Kaffee holen will.
„Hallo, Mateus.“
Wenigstens spricht sie meinen Namen jetzt richtig aus.
„Hi. Willst du auch einen Kaffee?“
„Ja, danke. Mit Milch, ohne Zucker.“
Wie leicht es doch ist, mit einem Mädchen ins Gespräch zu kommen, wenn es zu nichts führt. Ich biete ihr an, einen Kaffee zu holen, sie sagt Ja, und dann sitzen wir zusammen und reden, obwohl ich eigentlich nach dem Kaffee gleich nach Hause fahren wollte.
Liv zeigt auf ihr Mathebuch. „Hast du vielleicht irgendeine Peilung davon?“
„Ist das der Stoff von gestern?“
„Ja. Irgendwie ist das völlig an mir vorbeigegangen.“
„Ich glaube, ich kapiere es halbwegs.“
Ich ziehe meine eigenen Bücher aus der Tasche, und schneller, als ich denken kann, lernen wir zusammen Mathe. Das Gespräch fließt dahin, und wir könnten ohne Probleme für die nächsten drei Jahre eine Lerngemeinschaft bilden und noch dazu Freunde fürs Leben werden. Mit Liv kann man gut quatschen, und gleichzeitig ist das völlig egal, da sie immer noch mit Jonathan zusammen ist.
„Bist du zufällig ein Mathe-Genie?“, fragt Liv.
„Mache ich im Unterricht etwa den Eindruck?“
„Möglicherweise hältst du ein bisschen hinterm Berg damit.“ Sie lächelt ihr schönes, freches Liv-Lächeln, aber es ist nicht dasselbe Lächeln, das sie Jonathan im Kastellet geschenkt hat. Denn mich wird sie auf diese Weise niemals anlächeln.
„Mein Vater hat mir gestern dabei geholfen“, sage ich. „Er ist ein kleiner Nerd, wenn es um Mathe und Physik geht.“
„Ist er nicht gerade aus Afrika zurückgekommen?“
„Woher weißt du das?“
„Das hat Nick mir erzählt.“
Ich wusste nicht, dass Liv und Nick so viel miteinander reden. Oder dass sie über mich reden.
„Aha? Was hat er denn noch so erzählt?“
„Nicht viel. Er sagte nur, dass dein Vater Arzt ist und gerade aus Afrika zurückgekommen wäre.“
Mein Vater hat in der letzten Woche ständig bei mir auf der Matte gestanden, eifrig und völlig heiß darauf, mir helfen oder einfach nur einen Blick in meine Bücher werfen zu dürfen. Und jedes Mal habe ich ihn mit abweisenden Bemerkungen abgefertigt, woraufhin er sich wie ein geprügelter Hund zurückzog. Erst gestern Abend, als ich nicht
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