Dämenkind 2 - Kind der Götter
zwingen. In Anbetracht der Wolkendecke würde es in dieser Nacht voraussichtlich nicht frieren, aber falls es noch kälter wurde, mochte es schneien, und frischer Schnee bedeutete erneut ein Hemmnis für die Karier.
Offensichtlich war der am Morgen erfolgte Großangriff ein Versuch gewesen, die medalonischen Stellungen zu zerstören, ehe der Winter ausbrach. Diese Schlussfolgerung erfüllte Damin mit einigem Stolz; vielleicht war er doch nicht so voll gesoffen, wie er geglaubt hatte.
Der junge Kriegsmann, der den Befehl über die Fardohnjer hatte, war ein Lanzenreiter Zweiten Grades und trug den Namen Filip. Die tiefe Niedergeschlagenheit in seinem Blick passte zu seinem vom Kampf zerlumpten Waffenrock. Seine Augen blickten stumpf drein, und
seine Müdigkeit rang mit einem Gefühl um die Vorherrschaft, das zu erkennen Damin nahezu auf Anhieb gelang: Scham. Die ungefähr dreißig Fardohnjer standen, umringt von Hütern, in deren brennenden Fackeln gelegentlich ein verspäteter Regentropfen verzischte, in lockerem Haufen beisammen.
»Seid mir gegrüßt, Kriegsherr Wulfskling …« Tief verbeugte sich der Fardohnjer, den es sichtlich erleichterte, jemandem zu begegnen, mit dem er sich in seiner Heimatsprache verständigen konnte. Die Hüter hatten die Fardohnjer entwaffnet. Mehrere Verwundete, die zu schwer verletzt waren, um auf den Beinen stehen zu können, lagen auf dem feuchten Untergrund. Tarjanian, der unter solchen Umständen stets gründlicher den Überblick behielt, erteilte die Anweisung, die Verwundeten zu den Zelten der Wundheiler zu befördern und die rassigen fardohnjischen Rösser zu den Pferchen zu schaffen. Die Befragung der Gefangenen überließ er Damin.
»In meinem Leben habe ich schon einige Sonderbarkeiten gesehen, Lanzenreiter«, sagte Damin, »aber noch keine Fardohnjer, die die Waffen strecken.«
Filips Miene umwölkte sich noch düsterer. Eindeutig behagte es ihm ganz und gar nicht, in diese Lage geraten zu sein. »An uns ist der ausdrückliche Befehl zur Übergabe ergangen, Kriegsherr.«
»Was hat er gesagt?«, fragte Tarjanian, der sich soeben wieder zu Damin gesellte.
»Dass sie einen klaren Befehl zur Übergabe erhalten haben.«
»Von wem?«
»Wer hat den Befehl erlassen, euch zu ergeben?«, erkundigte Damin sich auf Fardohnjisch.
Filip zögerte und schaute sich über die Schulter zu seinen Männern um, bevor er sich reichlich widerwillig zu einer Auskunft durchrang. »Prinzessin Adrina, Kriegsherr.«
Diese Antwort brauchte Tarjanian nicht übersetzt zu werden. »Frag ihn, warum.«
Verstimmt blickte Damin ihm ins Gesicht. »Denkst du etwa, ich käme nicht selbst auf diesen Einfall?«
»Um Vergebung.«
»Hat Ihre Hoheit dafür einen Grund angeführt?«
Der Fardohnjer hob die Schultern. »Sie war außer sich vor Trauer, Kriegsherr. Sie wollte nicht dulden, sagte sie, dass für Karien noch mehr fardohnjisches Blut vergossen wird.«
»Ein Jammer, dass sie so viel Einsicht nicht gehabt hatte, bevor sie ihre Männer ins Gemetzel schickte«, murmelte Damin, ehe er sich Tarjanian zuwandte und ihm die Antwort des jungen Reiters ins Medalonische übertrug.
»Trauer um wen?«, fragte Tarjanian, dessen Nüchternheit ihm weit umsichtigere Gedankengänge ermöglichte, als Damin sie im Augenblick zustande brachte.
»Um Hauptmann Tristan, Kriegsherr«, erklärte Filip, nachdem Damin ihm die Frage übersetzt hatte. »Der Hauptmann war der Halbbruder der Prinzessin. Sie standen sich sehr nah.«
»Und wo hält Ihre Hoheit sich gegenwärtig auf?« Damin beabsichtigte herauszufinden, ob diese Übergabe Bestandteil eines hinterhältigen Plans war oder ob der
junge Kriegsmann den ahnungslosen Helfer einer tückischen Machenschaft Adrinas abgab. Verzweifelt wünschte sich Damin, er wäre klarer im Kopf.
»Natürlich bei ihrem Gemahl.« Diese Lüge hätte Damin auch durchschaut, hätte Adrina nicht inzwischen als Gefangene im Kastell gesessen.
»Aha.« Damin wandte sich an Tarjanian. »Was wollen wir mit ihnen anfangen?«
»Letzten Endes liegt der Entscheid bei Hochmeister Jenga. Ich schlage vor, fürs Erste, also bis zum Morgen, bringen wir sie irgendwo unter.« Der Donner grollte lauter, ein weiteres Gewitter rückte näher. Tarjanian furchte die Stirn und hob den Blick zum Himmel. »Zunächst im Kastell. Dort sind sie vor dem Regen geschützt. Morgen klären wir die Frage ihres endgültigen Verbleibs.«
Tarjanian gab seinen Männern weitere Befehle. Während man die Gefangenen zum
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