Dämenkind 2 - Kind der Götter
einen flüchtigen Augenblick waren sie keine Gegner, sondern gewissermaßen Verschworene, lachten gemeinsam auf Kosten eines verhassten Widersachers. Der Augenblick währte immerhin lange genug, um von einem Schweigen der Verlegenheit gefolgt zu werden.
»Ich traue Euch nicht, Adrina. Ihr versucht jeden gegen jeden auszuspielen. Ihr behauptet, auf der Flucht heimwärts zu sein, aber noch vor einer Woche habt Ihr an Cratyns Seite gestanden und zu seiner Unterstützung Eure Reiter ins Feld geschickt. Zum einen steht Ihr durch Eure Heirat und den Bündnisschluss im Pakt mit
Karien, zum anderen bietet Ihr an, Euren Vater überreden zu wollen, vom Krieg Abstand zu nehmen. Ihr verlangt von mir, Euch zu glauben, dass Cratyn nicht weiß, wo Ihr steckt. Sicherlich ist er in der Welt wenig bewandert, aber so stumpfsinnig kann niemand sein. Eure Geschichte ist so löchrig, dass man sie als Fischernetz verwenden könnte.«
»Vielleicht sind die Verschlingungen der Staatskunst für Euch zu hoch, Fürst«, entgegnete Adrina mit süßlichem Lächeln und unterdrückte mit aller Willenskraft ihre tiefe Erbitterung. Als sie ihre Darlegungen Tamylan probehalber vorgetragen hatte, hatte alles so vollauf einleuchtend geklungen. Nie hatte sie damit gerechnet, ein Hythrier könnte bloß im Ansatz irgendein Verständnis der Staatskunst haben.
»Ich verstehe die Schlingen Eures Denkens weit besser, als Ihr glaubt. Ihr seid König Hablets Tochter. Vom ersten Atemzug an seid Ihr mit dem Makel der Heimtücke behaftet.«
»Begeht nicht den Fehler, nach dem Leumund meines Vaters über mich zu urteilen.«
»Das liegt mir fern. Vielmehr sagt mir mein Gefühl, dass Ihr viel, viel gefährlicher seid als er.«
Aus gänzlich widersprüchlichen Gründen freute sich Adrina im Geheimen über diese Äußerung. »Ihr könnt mich nicht in alle Ewigkeit hier einsperren, Fürst. Irgendwann müsst Ihr mich gehen lassen.«
»Erst wenn ich dazu geneigt und bereit bin, Hoheit. Und nicht bevor ich daraus einen Vorteil ziehe.«
»Ich gedenke nicht stillzusitzen und zu warten, bis Eure Söldnerlaunen Euch geneigt sein lassen, sich mir
gegenüber wohlwollend zu verhalten«, erwiderte Adrina und verfluchte noch im selben Augenblick ihre Reizbarkeit. Ich muss freundlich sein.
»Ich gebe Euch die Empfehlung, es Euch anders zu überlegen, Hoheit. Ihr könnt das letztendliche Ergebnis meiner ›Söldnerlaunen‹ aussitzen, oder Ihr dürft nach Karien umkehren. Beides ist mir im Grunde genommen einerlei.«
Adrina verkniff sich eine Entgegnung und trank vom Wein, um hinter dem Becher ihre Miene zu verbergen. Sie musste befürchten, dass Wulfskling es ernst meinte.
Sei freundlich , mahnte sie sich in Gedanken. Ich muss freundlich zu ihm sein.
»Ich habe um Euren Schutz gebeten, Fürst«, sagte sie mit bescheidenem Lächeln. »Ist das ein allzu großes Anliegen?«
»Die Karier sind schon bereit, Krieg wegen eines getöteten Gesandten zu führen, Hoheit. Da wage ich mir gar nicht auszumalen, wozu sie um einer entführten Kronprinzessin willen fähig wären.«
»Aber Ihr seid der rechte Mann, um mich zu beschützen«, erwiderte Adrina mit großen Augen und einem Ausdruck voller Bewunderung. Nach ihren Erfahrungen konnten nur wenige Männer einer Frau widerstehen, die innig an ihren Heldenmut glaubte.
Offenbar zählte Damin Wulfskling zu den Ausnahmen.
»Um Euch zu beschützen? Und wer soll, während wir Euch, Hoheit, vor dem Zorn der Karier bewahren, uns vor Euch schützen?«
35
AUF HYTHRISCHEN, der Magie-Zucht zu verdankenden Rössern erreichten R'shiel und ihre Begleitung am ersten Reisetag rechtzeitig zum Abendessen das Dörfchen Liliental. Frohinia, Mahina und Affiana reisten in einem Planwagen, den Garet Warner allerdings, wenn man sich der Zitadelle näherte, durch ein standesgemäßeres Fahrzeug zu ersetzen empfohlen hatte. Der Wagen minderte die Reisegeschwindigkeit ein wenig, aber weil Frohinia unmöglich gefahrlos auf einem Pferd sitzen konnte, opferte man die Schnelligkeit zugunsten der Gewissheit, dass die Erste Schwester wohlbehalten in der Zitadelle eintraf.
Den überwiegenden Teil der Tagesstrecke ritt R'shiel an Brakandarans Seite und überließ es dem Pferd, die Gangart zu bestimmen, während sie Brakandarans Ausführungen über die Waghalsigkeit des Vorgangs lauschte, mittels Magie-Kraft Menschen einem fremden Willen zu unterwerfen. Falls er den Vorsatz hatte, sie hinsichtlich ihres Vorhabens unsicher zu machen, hatte er Erfolg, aber keine
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