Dämenkind 2 - Kind der Götter
Nordgrenze eine schonungslose Reitgeschwindigkeit vor. Hochmeister Jenga hatte versprochen, die Karier so lange wie überhaupt möglich aufzuhalten, doch betrug in dieser Hinsicht selbst die günstigste Schätzung nur ein, zwei Tage. Adrina erduldete den rauen Ritt, ohne zu klagen, obwohl ihr der Steiß bis auf die Knochen schmerzte und die Innenseiten ihrer Oberschenkel wund gescheuert wurden. Wenn sie des Abends rasteten, schlangen sie die kalte Verpflegung geradezu hinunter und sackten unter freiem Himmel aufs Bettzeug nieder.
Als Kind hatte sich Adrina durch die umfänglichen, höchst schwärmerischen Balladen der Barden bezaubern lassen, die schilderten, wie flüchtende Liebende tagelang in die Freiheit davongaloppierten und sich nachts ausgiebig wonniger Lust hingaben. Welch ein Unsinn , dachte sie jetzt, als sie in dem kleinen Hain, den Tenragan zum Übernachten ausgesucht hatte, umständlich absaß. Selbst Damin erwies sich mehr als Mensch und weniger als Held. Er wirkte müde und abgezehrt, und auch er bewegte sich, obgleich er schon sein Lebtag lang im Sattel saß, etwas steifbeinig. Aus irgendeinem Grund spendete sein Unbehagen Adrina schwachen Trost.
Seit dem Abritt von der Grenze war die Reiterschar beträchtlich zusammengeschmolzen. Im Einklang mit Damins Planung hatte Tenragan seine Männer in kleinere Scharen aufgeteilt und sie mit der Weisung, einen verlassenen Weinberg südlich Testras aufzusuchen, gen Süden geschickt. Anscheinend nahm er an, dass sie sich bis zu seinem Eintreffen dort in Sicherheit befanden. Kaum hundert Reiter waren noch übrig, und nicht einmal die Hälfte bestand aus Reitern Damins. Der Rest umfasste Hüter und die Überlebenden der Leibgarde Adrinas.
Nachdem sie bei Hirschgrunden über den Gläsernen Fluss gesetzt hatten, sollte eine weitere Aufsplitterung stattfinden. Tenragan und seine Hüter wollten zur Zitadelle reiten, Damin und seine Gefolgsleute hingegen südwärts, nach Hythria.
Adrina kannte den Anlass für Tenragans Absicht, die Zitadelle aufzusuchen. R'shiel musste irgendetwas zugestoßen sein.
Adrina hoffte, dass sich nichts wahrlich Schlimmes ereignet hatte. Zweifellos gab Tenragan keine Ruhe, bis er über das Schicksal des Dämonenkinds eindeutig Bescheid wusste. Adrina bedauerte es, ihr niemals begegnen zu dürfen.
Zwar vermied sie es gewissenhaft, sich nochmals über sie zu äußern, doch im Geheimen fühlte sich Adrina durch sie in einen gewissen Bann gezogen. Sogar Damin beschrieb sie mit solchen Worten der Bewunderung, dass Adrina nachgerade eifersüchtig geworden wäre, hätten nicht zwei Gründe dagegen gestanden.
Den einen Grund verkörperte Tarjanian Tenragan. Er
nämlich war offenkundig dem Mädchen derartig verfallen, dass er, hegte er den Verdacht, Damin nähme zu ihr eine andere als eine ehrbare Haltung ein, den Kriegsherrn längst umgebracht hätte. Der zweite Grund war Damin. Eifersucht hätte besagt, dass er Adrina etwas bedeutete, aber davon konnte natürlich gar keine Rede sein. Daher gab es keinerlei Grund zur Eifersucht.
Adrina nahm dem Pferd den Sattel ab und warf ihre Sachen bei dem kleinen Lagerfeuer, das inzwischen ein Hüter-Krieger entfacht hatte, auf die Erde. Auf Tenragans Geheiß wollten sie sich wenigstens an diesem einen Abend ein Feuer und eine warme Mahlzeit gönnen. Wenn sogar er die Auswirkungen des anstrengenden Eilritts spürte, musste ihm klar sein, dass sich seine Begleiter am Rand der völligen Erschöpfung befanden.
Als sie seine Anordnung hörte, versuchte Adrina der Würde halber, sich keine Erleichterung anmerken zu lassen, doch die Miene der armen Tamylan zeigte eine geradezu Mitleid erregende Vorfreude. Die Sklavin war lange Stunden im Sattel nicht gewöhnt, und im Gegensatz zu ihrer treuen Gefährtin glich Adrina einem Musterbild strotzender Gesundheit.
»Darf ich mich um Euer Pferd kümmern, Hoheit?«
Adrina wandte sich um und lächelte Damins Reiterhauptmann matt zu. Almodavar sah in all dem Leder und dem Kettenpanzer aus wie ein fürchterlicher Rohling, aber hatte ein ausgesucht gutes Benehmen.
»Habt Dank, Hauptmann, doch auf diesem Ritt muss jeder selbst seine Aufgaben versehen. Ich verstehe durchaus mein Pferd zu pflegen. Ihr habt Wichtigeres zu tun.«
»Gewiss, Hoheit, jedoch unterstehen mir ein paar junge Sterze, die mehr Körperkraft als Hirn haben. Sie sollen für die Stute sorgen. Ruht Ihr Euch aus, solang Euch dazu die Gelegenheit bleibt.«
Adrina war zu müde, um weiter zu
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