Dämenkind 2 - Kind der Götter
weißen Festtagswaffenrock bereitstanden, um sie auf die Königsburg zu geleiten, gehörige Erleichterung. Tristan schenkte ihr ein ermutigendes Lächeln. Seine Männer versperrten der Volksmenge den Zugang zum Tempel, und Cratyn reichte ihr die Hand, um ihr beim Einsteigen in die offene Kutsche zu helfen, in der sie durch die Straßen fahren sollten.
Adrina setzte sich und strich den Rock glatt, ehe sie den Blick auf ihren frisch gebackenen Ehegemahl heftete. Er sah nicht sie an, sondern stierte hinüber zum Tempel, wo soeben die Hofdame Virgina unverhohlen schluchzend in den in Karien seltenen Sonnenschein trat. Adrina schnitt eine Miene des Missmuts. Wie kam man einer dermaßen verstockten Rivalin bei?
»Ihr müsstet eigentlich ein freundliches Gesicht ziehen, mein Gemahl. Eine Hochzeit ist ein fröhliches Ereignis. Zumindest in Fardohnja wird es so gesehen.«
»Wir befinden uns nicht in Fardohnja«, stellte Cratyn fest, als die Kutsche mit einem Ruck anrollte. »Ihr tätet klug daran, diese Tatsache zu beherzigen.«
»Ihr tätet klug daran zu beachten, mit wem Ihr vermählt worden seid.« Adrina antwortete ohne jegliches Nachdenken, weil sein eiskalter Tonfall sie überraschte. »Virgina wird wohl ihrem Namen gerecht bleiben müssen.«
Cratyn warf ihr einen bitterbösen Blick zu, aber enthielt sich einer Entgegnung. Trotz des für Kariens Verhältnisse ungewöhnlich warmen Tags und des lebhaften Winkens der Menschenmenge wurde die Rückfahrt nach Burg Schrammstein zu einem durch und durch unangenehmen Erlebnis.
Hätte Adrina sich in Fardohnja verheiratet, wäre die restliche Woche mit Festlichkeiten und Tanz zugebracht worden, um diesen Anlass zu feiern. In Karien erachtete man solche Veranstaltungen als ungebührlich und als überflüssige Verschwendung. Auf Burg Schrammstein eingetroffen, führte man Adrina unverzüglich in die Königlichen Gemächer, zum karischen König – nicht jedoch, um ihre Vermählung zu feiern, sondern um den Vertrag zwischen Fardohnja und Karien förmlich zu besiegeln.
Jasnoff hatte große Ähnlichkeit mit seinem Sohn, vor allem, was das Braun der Augen und des Haars anbelangte, aber er war rundlicher und längst sichtbar angegraut. Ebenso zog er eine gleichartige Miene der Betroffenheit, als er sah, welch ein Brautkleid Adrina am Leibe trug. Doch er schwieg dazu, erhob sich ohne Umschweife von seinem kleinen, eher bescheidenen Thronsitz und
nickte pflichtschuldigst, sobald Adrina ihren Hofknicks vollführte.
»Hier müsst Ihr unterschreiben«, sagte Jasnoff, nachdem man die anfänglichen Nettigkeiten ausgetauscht hatte. Er deutete auf einen Bogen Pergament, der auf einem niedrigen, leicht schrägen Tischchen lag. Ein Schreiber mit mönchischer Tonsur streckte Adrina einen schon in Tinte getauchten Federkiel entgegen.
»Gewiss, Eure Majestät. Was ist es denn, das ich zu unterzeichnen habe?«
»Ein Sendschreiben an Euren Vater«, erläuterte Kronprinz Cratyn, der hinter ihr stand. »Es setzt ihn davon in Kenntnis, dass Ihr in Übereinstimmung mit dem karischen Recht und Gesetz vermählt worden seid und wir unseren Teil der Abmachung erfüllt haben. Nach Erhalt dieser Kunde wird er uns die Mitgift übermitteln und mit den Vorbereitungen für den Angriff auf Medalon beginnen.«
»Meine Mitgift? Ach, Ihr meint, er tritt Euch die Oberhoheit über die Insel Slarn ab, oder?«
Adrina nahm dem Schreiber die Feder aus den Fingern. Auf verschwommene Weise mutete es sie wie eine Erniedrigung an, gegen einen Haufen Felsgestein verschachert zu werden. Schwungvoll versah sie den Brief mit ihrer Unterschrift und reichte dem Schreiber den Federkiel zurück.
Zufrieden nickte König Jasnoff und wandte sich an seinen Sohn. »Deine Mutter und ich erwarten dich zum Abendmahl.« Zumindest vergaß er Adrina nicht zur Gänze. »Und natürlich«, fügte er hinzu, »deine Gemahlin.«
Kronprinz Cratyn verbeugte sich vor seinem Vater, und Adrina machte einen zweiten, nicht allzu tiefen Hofknicks. Der König und sein Schreiber strebten zum Saal hinaus und ließen die Jungvermählten allein. Voller Neugier drehte Adrina sich Cratyn zu. Vonulus und Madren hatten viel Zeit darauf verwandt, sie über die Einzelheiten des karischen Eheschließungszeremoniells aufzuklären, aber mit keinem Wort erwähnt, was danach geschehen sollte.
»Was nun, Kretin?«, fragte Adrina. Sie unterstellte, dass er als Nächstes errötete. Zum ersten Mal war er mit ihr allein, und sie vermutete, dass ihm wohl vor den
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