Dämliche Dämonen - Demonkeeper
etwas riskieren.«
Sandy beugte sich zu Nate hinüber und legte ihm die Hand auf den Arm. Seine Nackenhärchen stellten sich auf, als hätte jemand einen mächtigen Dämon auf ihn losgelassen. Er suchte Sandys Blick. Sie lächelte ihn an. Er hob die Hand und legte sie um ihr Kinn. Doch statt Sandy zu küssen, schob er mit einem Finger ihre Lippe nach oben, um ihre Zähne zu inspizieren. »Du wirst mich doch nicht beißen, oder?«
»Nein...«, murmelte sie hinter seinem bohrenden Finger hervor.
»Ich, äh, wollte nur sichergehen, dass du… Mein Lehrmeister hat immer gesagt, es gäbe eine Sorte Mädchen, die Jagd auf Jungen macht und sie ins Verderben stürzt.«
Sandy rückte abrupt von ihm ab. Sie richtete sich kerzengerade auf und hielt das Lenkrad umklammert. Nate wurde klar, dass er etwas ganz Blödsinniges gesagt haben musste.
Sandy starrte unverwandt durch die Windschutzscheibe. »Ich glaube nicht, dass ich zu dieser Sorte Mädchen gehöre, Nathan. Wenn ich es mir recht überlege, war die ganze Sache vielleicht doch ein Fehler. Warum geben wir uns nicht einfach die Hand und lassen es damit gut sein?«
Nate wusste nicht genau, was er für einen Fehler gemacht hatte, aber ihm war klar, dass er ins Fettnäpfchen getreten war. Und Sandy war eindeutig kein Sukkubus. »Okay«, sagte er leise und reichte ihr die Hand.
Obwohl sie es ihm angeboten hatte, schien sie gar nicht sonderlich auf einen Händedruck erpicht zu sein. Weil es aber so albern aussah, wie seine Hand in der Luft hing, griff sie schließlich doch danach und schüttelte sie, ohne ihn anzuschauen. Sie lächelte jetzt auch nicht mehr.
»Gute Nacht«, sagte Nate und versuchte es noch einmal mit einem zaghaften Lächeln.
Klack! Sandy hatte wortlos die Verriegelung wieder gelöst.
22. Kapitel
Entfesselte Gewalt
E ntsetzt starrte Richie auf die riesigen Pranken, die die Eisentür immer weiter aufdrückten. Nik und Flappy konnten gerade noch ausweichen, als plötzlich eine davon ausholte und genau an der Stelle auf den Dielenboden krachte, wo sie eben noch gestanden hatten. Die beiden versuchten, sich in die Knobelbox zu retten. Ein riesiger, vielarmiger Schatten setzte ihnen polternd nach. Gerade als eine der Pranken Flappys Schwanz streifte, verschwanden die kleinen Dämonen mit einem Satz in der runden Deckelöffnung des kleinen Kastens. Die Pranke verfehlte sie, schlug aber die Box quer durch den Raum.
Das TIER hielt inne und schnüffelte in die Luft. Es witterte etwas …
Richie sprang hinter der Tür hervor und schleuderte dem Ungeheuer Sandys Blumenvase an den Hinterkopf.
Klonk!
Unbeeindruckt wandte sich das TIER zu Richie um, so dass er es zum ersten Mal richtig sehen konnte. Es ragte wie ein gigantischer Gorilla über ihm auf, hatte lange spitze Reißzähne und messerscharfe Krallen. Seine sechs haarigen Gliedmaßen waren weder Arme noch Beine, sondern eine groteske Mischung aus beidem. Die kleinen gelben Schweinsäuglein funkelten gierig, als es Richie erblickte, und es riss das Maul grotesk weit auf, wie eine Schlange, die ihr Kiefergelenk aushängt, um eine Maus zu verschlingen.
Richie schloss die Augen. Ein junger obdachloser Streuner wie er hatte nicht den Hauch einer Chance gegen ein so mächtiges Ungetüm, dessen Hunger offenbar unstillbar war.
Aber dann fiel ihm eine Zeile aus dem Buch Der Goblin unterm Bett ein. Sie lautete : »Vor Dämonen findet ein Junge Zuflucht unter einer Decke.« Er bückte sich und packte den indischen Teppich, um ihn sich über den Kopf zu ziehen. Eigentlich schien es unsinnig, und er hatte keine Ahnung, was es ihm nützen sollte, aber aus irgendeinem Grund schien es ihm jetzt genau das Richtige zu sein. Das TIER stürzte auf ihn zu und zielte mit der ausgestreckten Pranke auf seinen eingezogenen Kopf. Da wurde der Teppich auf einmal lebendig und wogte heftig auf seinem Untergrund.
Das Ungeheuer verlor das Gleichgewicht. Rumms! Kaum zwei Handbreit von Richies Nase entfernt, schlug es der Länge nach hin. Der Boden bebte unter der Wucht des Aufpralls. Der Teppich glitt Richie aus den Händen und wickelte sich blitzschnell um seinen Angreifer. Das TIER drehte und wand sich, schlug um sich und versuchte wieder auf die Beine zu kommen, aber der Teppich folgte seinen Bewegungen und brachte es ein ums andere Mal zu Fall.
Richie griff vorsichtshalber nach dem Dämonenhüter-Kompendium und hob den schweren Wälzer hoch, um ihn dem Ungetüm notfalls über den Schädel zu schlagen für den Fall, dass es
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