Daemmerung der Leidenschaft
warf einen Blick nach draußen und sah, daß sich ein nächtlicher Sturm zusammenbraute; ein roter Blitz zuckte auf, doch er war so fern, daß sie kein Donnern vernahm. Vielleicht sollte sie ihre Tür aufmachen, sich ins Bett legen und den näherkommenden Sturm abwarten, der angenehmen Regen brächte. Regen war das beste Schlafmittel, das sie kannte.
Sie war so müde, daß es eine ganze Weile dauerte, bis ihr klar wurde, daß es sich nicht um Blitze handelte. Das mit dem Gewitter stimmte gar nicht.
Jemand stand auf dem Balkon; die große Gestalt verschwamm völlig in den Schatten.
Er beobachtete sie.
Webb.
Da sie ihn unvermittelt erkannte, brauchte sie auch gar nicht zu erschrecken über einen etwaigen Fremden auf ihrem Balkon. Er rauchte, und die Zigarette beschrieb einen roten Bogen, als er sie an die Lippen hob. Die feurige rote Spitze glühte noch heller, als er daran zog, und in dem kurzen Aufleuchten konnte sie deutlich seine harten Züge, seine hervortretenden Wangenknochen wahrnehmen.
Aber er lehnte außerhalb des Lichtscheins aus ihrem Zimmer an der Balkonbrüstung: Ein weiches, silbriges Licht schien auf seine breiten Schultern; es kam von den zahlreich am Himmel stehenden Sternen. Er trug eine dunkle Hose, Jeans wahrscheinlich, aber sonst nichts.
Sie hatte keine Ahnung, wie lange er schon dort draußen stand, rauchte und sie schweigend durch die Balkontür beobachtete. Auf einmal stand ihr Körper unter Feuer, so lodernd, daß es fast wehtat. Langsam ließ sie den Kopf an die Sessellehne sinken und starrte ihn ebenfalls an. Auf einmal wurde sie sich überdeutlich bewußt, daß sie nichts unter ihrem Nachthemd trug und daß er diesen Körper bereits kannte: die Brüste, die er geküßt, die Schenkel, die er auseinandergeschoben hatte. Ob auch er an jene Nacht dachte?
Warum schlief er nicht? Es war schon fast halb zwei.
Er drehte sich um und warf die Zigarette über die Brüstung ins taufeuchte Gras hinunter. Roannas Blick folgte unwillkürlich dem Feuerbogen, und als sie wieder aufsah, war er verschwunden.
Von dem Klappen seiner Tür bekam sie nichts mit. War er in sein Zimmer zurückgegangen, oder spazierte er noch auf dem Balkon herum? Da sie alles zugemacht hatte, konnte sie ohnehin nichts hören. Sie griff nach oben und knipste ihre Lampe aus. In der plötzlichen Dunkelheit wurde nun die Umgebung deutlich sichtbar, denn die Sterne schienen hell und silbrig herab. Er war nicht mehr da.
Zitternd kroch sie ins Bett zurück. Warum hatte er sie beobachtet? Hatte er es absichtlich getan, oder war er einfach nur nach draußen gegangen, um zu rauchen, und bemerkte dann das Licht bei ihr?
Sie sehnte sich qualvoll nach ihm und verschränkte die Arme vor ihren geschwollenen Brüsten. Es waren zwei Wochen vergangen seit jener Nacht in Nogales, und sie verzehrte sich danach, seine heiße, nackte Haut nochmals zu fühlen, sein Gewicht zu spüren, wie er sich über sie schob, in sie eindrang. Sie war schon längst nicht mehr wund zwischen den Schenkeln und wollte ihn wieder dort haben. Am liebsten wäre sie in der Stille der Nacht zu ihm gegangen, zu ihm ins Bett geschlüpft und hätte sich ihm geschenkt.
Der Schlaf war ihr nie ferner gewesen.
Als sie am nächsten Morgen das Arbeitszimmer betrat, musterte er sie mit einem scharfen Blick. Sie hatte Make-Up aufgelegt, um die dunklen Ringe unter ihren Augen zu kaschieren; aber er bemerkte ihre Bemühungen sofort. »Du hattest eine schlimme Nacht, oder?« fragte er brüsk. »Hast du überhaupt nicht geschlafen?«
Sie schüttelte den Kopf und achtete darauf, keine Emotionen zu zeigen, weil sie nicht wollte, daß er ihre Qualen durchschaute. »Nein, aber irgendwann kippe ich dann doch mal um. Ich bin daran gewöhnt.«
Er klappte die Akte zu, die offen auf dem Schreibtisch lag, drückte auf die Escape-Taste und schaltete den Computer aus. Entschlossen erhob er sich.
»Geh und zieh dich um«, befahl er. »Jeans und Stiefel. Wir gehen reiten.«
Das Wort reiten erfüllte sie urplötzlich mit Energie und Kraft. Trotz ihrer Erschöpfung klang ein Ausritt himmlisch. Ein Pferd unter sich zu fühlen, eine frische Brise im Gesicht, die Morgenluft einzuatmen! Keine Meetings, kein Zeitdruck. Doch dann fiel ihr ein, daß da doch ein Termin war, mehrere sogar, und sie seufzte. »Ich kann nicht. Ich muß ...«
»Vergiß bitte den ganzen Kram«, unterbrach er sie. »Ruf an und sag, daß du nicht kommst. Heute wirst du nichts als ausspannen, das ist ein
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