DAEMON
Gragg ein Auto, und er doppelklickte darauf – wie es jeder Mann seines Alters getan hätte. Das Thumbnail dehnte sich auf die volle Fenstergröße aus. Es war eine Liveaufnahme seines Wagens. Er winkte und sah sich auf dem Videofeed ebenfalls winken. Gragg bemerkte einen roten Rahmen um sein Nummernschild. Ein Callout zeigte, was die Software aus dem Kennzeichen herausgelesen hatte. Es war richtig. Also benutzte Sobol einen optischen Kennzeichenleser. Gragg wusste, dass das auf dem Markt frei erhältliche Software war, die auf Autobahnen und Innenstadtstraßen ständig benutzt wurde. Aber um festzustellen, wem der Wagen gehörte, musste Sobol auf Daten der Kraftfahrzeugbehörde zugreifen können. Er musste eine Zulassungsdatenbank geknackt haben. Als Gragg sich vergegenwärtigte, was ein durchschnittlicher Angestellter der Kraftfahrzeugbehörde verdiente, war ihm klar, dass das Sobol vermutlich kein größeres Problem bereitet hatte.
Im Hintergrund des Videos war ein ähnlicher Rahmen um das Nummernschild des V W-Busses . Gragg fragte sich, was es damit wohl auf sich hatte. Der Kleinbus war völlig demoliert.
Er schloss die Dioalogbox und checkte die übrigen Videofeeds. Da waren Kameras rings um das Gebäude, die Überwachungsaufnahmen von allen Seiten lieferten. Sobald Wind wehte, wurden die wackelnden Äste der Bäume von vektorisierten Linien umrissen, die irgendetwas zu erfassen versuchten, was die Software erkannte. Gragg betrachtete die auftauchenden und wieder verschwindenden roten Linien wie eine Lavalampe. Bewegungserfassungssoftware? Das war hochkomplexes Zeug. Niemand wäre je drauf gekommen,dass dieses abgelegene Steinhaus so viel Rechenleistung enthielt.
Gragg schloss die Videofeeds und wandte sich den übrigen sichtbaren Features des Diagramms zu. Er bemerkte einen garagenartigen Anbau auf der Rückseite des Hauses, und als er mit dem Cursor daraufging, erschien die Beschriftung «H1 Alpha». Das erklärte den Totalschaden des V W-Busses . Hier drinnen war ein automatisierter Hummer – genau wie auf Sobols Anwesen. Gragg lächelte. Es
war
Sobol. Er wandelte auf den Spuren eines Genies. Zu seinem Leidwesen waren aber keine weiteren Informationen über den Hummer zu finden, also klickte er auf eine der aktiven Flächen am Fuß des Gebäudes. Das Label «seismische Sensoren» erschien. Vermutlich zur Erkennung sich nähernder Fahrzeuge und Personen.
Als Gragg am Fuß des abgebildeten Hauses entlangscrollte, zeigte ein Rollover die leuchtend roten Umrisse einer Tür in der Frontwand. Er blickte auf die reale Wand etwa sieben Meter vor ihm. Nichts deutete darauf hin, dass sich dort in der Wand eine Tür befand. Er ging mit dem Cursor wieder auf das entsprechende Mauerstück im Diagramm, und ein Drop-Down-Menü erschien. Es bot zwei Auswahlmöglichkeiten: «Öffnen» und «Schließen». Gragg klickte auf «Öffnen».
Vor seinem Wagen wich ein rechteckiger Ausschnitt der Hauswand plötzlich ein Stück zurück, glitt dann seitwärts – und gab eine dunkle Eingangsöffnung von gut einem Meter Breite frei. Gragg rechnete schon halb damit, Dampfschwaden herausquellen zu sehen. Die Umrisse der Öffnung markierte ein sanftroter Lichtschein.
Was war das? Sollte er hineingehen? Er sah sich misstrauisch um. Das würde bedeuten, aus dem Wagen zu steigen.
Der Spotscheinwerfer am Haus beleuchtete immer noch den Vorplatz und enthüllte, in was für einen Schlammsumpf er hineingeraten war. Er hatte keine Ahnung, wie er daohne Abschleppwagen je wieder herauskommen sollte. Ewig konnte er hier ja nicht sitzen bleiben.
Gragg fuhr seinen Laptop herunter und packte sein Zeug zusammen. Schnell war alles in seinem Rucksack verstaut, bis auf die 9-Millimeter -Glock – die hielt er in der rechten Hand. Gragg öffnete die Fahrertür des Tempo, die ihr typisches Achtziger-Jahre-Detroit-Knarzen von sich gab. Er setzte zögernd einen Fuß in den Morast und sank mit seinem ganzen Springerstiefel ein. Angewidert stöhnte er, aber ihm blieb ja wohl keine andere Wahl, also ließ er den anderen Fuß folgen und schloss die Wagentür hinter sich. Dann stapfte er durch den tiefen Morast auf die dunkle Türöffnung in der Steinwand zu.
Er blieb stehen, um sich den zerknautschten V W-Bus mit den Louisiana-Kennzeichen und Anarcho-Aufklebern genauer anzusehen. Heckleuchten-Plastiksplitter und verbogene Seitenschutzleisten lagen herum. Das linke Hinterrad war völlig verkeilt. Die Beifahrertür stand einen Spalt offen, und tiefe
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