Dämon, Dämon an der Wand: Roman (German Edition)
nächsten Pfeiler und schob sich höher. Ihre Muskeln schrien, aber sie kletterte weiter, bis sie die eigentliche Brücke erreicht hatte. Gerta packte ihr Handgelenk und half ihr übers Geländer.
Talias Beine gaben unter ihr nach. Sie klammerte sich ans Geländer und versuchte zu stehen; ihre Glieder fühlten sich an wie warmer Teig. »Der dritte Drache …«
Gerta streckte die Hand zum Ufer hin und schloss die Faust. Die Flamme verschwand. »Die anderen zwei waren beides Männchen. Sie waren nicht hungrig genug, um sich mit einem Mutterdrachen anzulegen.«
»Eine Mutter? Alles, was ich gesehen habe, war das Feuer.« Talia ließ sich auf die Brücke sinken, blieb auf dem Rücken liegen und starrte die Stalaktiten über ihrem Kopf an.
Gerta verdrehte die Augen. »Die Flamme der Männchen ist schmaler und heißer. Du musst wirklich mehr lesen, Talia!« Sie spreizte die Finger und richtete sie auf Talias Körper. Wasser knisterte, als Talias Haare und Kleider an der Brücke festfroren.
»Was machst du da?« Talia verzog das Gesicht, als das Eis den Arm erreichte, wo der Drache ihren Ärmel zerrissen hatte. Sie ließ die Muskeln spielen, um Gertas Zauber zu testen: Langsam löste sich ihre Hand vom Stein. Sie würde zwar ein bisschen Haut lassen, müsste aber imstande sein, sich loszureißen. »Ich schätze, zu erfrieren ist weniger schmerzhaft als Drachenfeuer, und das Eis ist bestimmt gut gegen die Schwellung an meinem Ellbogen, a …«
»Klappe!« Gerta kniete sich neben Talia und streckte die Hand aus. Ihre Fingerspitzen zogen Talias Wangenknochen nach, dann bewegten sie sich an der Seite des Halses nach unten. »Ich konnte dich nicht sterben lassen. Ich hätte es tun sollen, aber ich konnte nicht.«
»Die Kälte wird das schon für dich erledigen.«
Gerta gab Talia einen Nasenstüber. »Wieso sollte sie mir das antun? Ich verstehe ja, dass sie ihre Seele aufgeteilt hat, um einen Teil von sich selbst zu beschützen, damit ich benutzt werden kann, um den Dämon zu stoppen. Aber wieso mich dich lieben lassen?«
»Vielleicht um dich davon abzuhalten, davonzulaufen, sobald dir klar ist, was wir tun müssen?«
Gerta rümpfte die Nase. »Du riechst nach Drachenspucke!«
»Drachenspucke?« Talia schnupperte. Da war schon ein ziemlich übler Geruch, jetzt, wo Gerta es sagte – eine Kombination aus Moschus und fauligem Fleisch.
»Es ist eine ihrer Jagdmethoden«, erklärte Gerta, »Spucke auf dem Wasser zu verspritzen. Die Wellen locken neugierige Fische an die Oberfläche, und dann zisch! « Sie mimte Feuerspeien.
Wenn Gerta ihr nicht zugerufen hätte, zu tauchen … Talia hörte auf, sich gegen das Eis zu wehren. »Danke.«
Gerta wandte sich ab und ließ den Blick forschend über die Wasseroberfläche wandern. »Schnee war neidisch auf dich, weißt du das?«
Talia machte große Augen. »Ich verstehe nicht?«
»Als du mit deiner Freundin Faziya aus Arathea zurückkamst. Sie hat euch beide beobachtet, sah, wie glücklich ihr zusammen wart.«
Talias Herzschlag und Atmung hatten sich nach und nach beruhigt, als ihr Körper erkannt hatte, dass – wenigstens für den Moment – keine Gefahr mehr drohte. Jetzt wurden beide wieder schneller. »Wieso? Schnee hatte doch …«
»Gesellschaft, ja – aber keine Liebe. Als Faziya nach Arathea zurückging und du dich auf dein Zimmer zurückzogst, um zu schmollen, da bereitete Schnee ihren Liebestrank zu, einen, der es ihr möglich machen sollte, dich so zu lieben, wie Faziya es tat.«
»Ich habe nicht geschmollt!«
Gerta rollte die Augen.
Talia entspannte sich, indem sie sich auf das Gefühl der gefrorenen Haarstachel konzentrierte, die ihr in die Kopfhaut stießen. »Und warum hat sie nicht …?«
»Du weißt warum.« Gerta klang geistesabwesend. »Sie hat die Gesellschaft von Männern immer genossen, aber kennst du ein Beispiel, wo sie sich verliebt hat?«
»Nur eines – bevor sie nach Lorindar kam.«
»Roland«, stimmte Gerta zu. Der Jäger, den Schnees Mutter in die Wälder ausgeschickt hatte, um Schnee zu finden, ihr das Herz herauszuschneiden und es der Königin zu bringen. Stattdessen hatte er sich in Schnee verliebt, und sie hatten eine Zeit lang zusammengelebt … Bis die Königin sie gefunden hatte. Schnee hatte nie jemandem etwas über die Einzelheiten dieser Begegnung erzählt, nur so viel, dass ihre Mutter Roland zu Tode gefoltert hatte, während Schnee hilflos dalag und sie nicht daran hindern konnte. »Sie hatte Angst, Talia – Angst, dich zu
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