Dämon, Dämon an der Wand: Roman (German Edition)
tiefer in den Körper treiben.«
»Wo sitzt er jetzt?«
Gerta deutete auf Armands unterste rechte Rippe. Leise sagte sie: »Wäre er in seinem Arm geblieben, hätten wir ihn vielleicht amputieren können.«
Danielle verdrängte diese Bilder. »Schnee konnte ihre Spiegel nach Belieben zerstören und in Pulver verwandeln. Könnt ihr diesen Splitter nicht zertrümmern?«
»Selbst wenn wir das täten, würden die Stücke möglicherweise trotzdem noch den Fluch in sich tragen«, legte Vater Isaac dar.
Gerta kaute auf der Unterlippe herum, während sie die Blutergüsse an Armands Seite prüfend betrachtete. »Wenn wir ihn zur Ader ließen, sobald das Glas zertrümmert wurde, könnte es uns gelingen, den Großteil davon zu entfernen – wie Gift aus einer Wunde saugen.«
»Oder wir könnten das Gift in seinem Körper verbreiten«, wandte Isaac ein.
Danielle drehte sich weg. »Ein einziger Splitter hat mir meinen Mann genommen. Mein Vater war ein Glasmacher, aber nie habe ich einen Spiegel so groß wie den von Schnee gesehen. Was wir im Palast erlebt haben, ist nur der Anfang. Wir müssen wissen, ob diese Infektion geheilt werden kann.«
»Es gibt andere, die wir versuchen könnten zu befreien«, sagte Isaac. »Ich könnte einen der Gefangenen aus dem Verlies bringen lassen …«
»Sie sind keine Gefangenen, sie sind Menschen. Freunde. Wollt Ihr mir etwa sagen, dass ihre Leben weniger wichtig sind als das Armands? Dass ihre Familien sich über ihren Verlust weniger grämen werden?«
»Er will dir bloß sagen, dass man das Leben des Prinzen von Lorindar nicht mit ungetesteter Magie aufs Spiel setzt«, versuchte Talia sie zu beschwichtigen.
»Ich könnte ihn einschließen«, sagte Gerta plötzlich. Sie fuhr Armand mit den Fingern über die Brust. »Den Splitter zu zertrümmern reicht nicht. Ich muss ihn vom Prinzen isolieren … bringt mir eine Perle!«
»Wieso eine Perle?«, wollte Danielle wissen.
»Perlen werden gebildet, um die Auster vor Reizung zu schützen«, sagte Gerta. »Wenn ich dasselbe mit diesem Splitter machen kann …«
»Resonanzmagie!« Vater Isaac ging zum Prinzen. »Ja. Wir können die Perle als Fokus benutzen, um das Glas zu umhüllen.«
»Vorausgesetzt, wir können ihr vertrauen!«, sagte Talia scharf. »Wir wissen nicht einmal, was sie ist, und jetzt wollt ihr sie Magie am Prinzen wirken lassen?«
Gerta trat abrupt zurück; ihre Miene offenbarte unverhohlene Kränkung. »Habe ich dich angelogen, Talia? Habe ich versucht, dich irgendwie reinzulegen?« Sie wandte sich an Danielle. »Ich weiß nicht, wie Schnee mich erschaffen hat oder wieso, aber sie ist meine Schwester. Sie würde das hier nicht wollen. Lasst mich euch helfen!«
Nicht zum ersten Mal wünschte Danielle sich, Beatrice wäre hier. Die Königin hatte immer vermocht, Täuschung zu durchschauen; sie hätte gewusst, ob man Gerta vertrauen konnte, ob man ihr erlauben sollte, Armand zu helfen. »Wie lange würde es dauern?«
»Armand schläft. Wir haben den Splitter lokalisiert. Ich könnte jetzt anfangen.« Gerta zuckte die Schultern. »Bringt mir jemand Neuen, und es wird länger dauern.«
»Schnees Magie hat Lorindar schon seines Prinzen beraubt. Und jede Stunde gibt ihr mehr Zeit, um mit meinem Sohn zu entkommen.« Sie flüsterte ein schnelles Gebet zu ihrer Mutter und zu Beatrice. »Vater Isaac wird dir helfen.«
Isaac ging mit Danielle zur Seite, weg vom Altar. »Vielleicht sollten wir zuerst König Theodore konsultieren, nur um sicher zu sein …«
»Nein«, sagte Danielle leise. »Er hat schon seine Frau verloren. Wollt Ihr ihn mit dieser Entscheidung belasten?« Oder mit den Konsequenzen, falls es schiefgeht? Von Vater Isaacs Gesichtsausdruck auszugehen, hörte er auch ihre unausgesprochenen Worte. »Tut, was Ihr könnt für Armand.«
Kapitel 7
Gerta schien alles rings um sich zu vergessen, als sie sich über Armands Körper beugte, wobei ihr Gesicht so dicht an seiner Haut war, dass seine Brusthaare ihre Nase berührten. Falls Danielle sich mit ihr irrte, dann wäre es ihr jetzt ein Leichtes, Armand zu töten.
Danielle verscheuchte diesen Gedanken, wie sie es schon mit so vielen anderen getan hatte. Vater Isaac stand mit gespannter Miene neben Gerta und teilte seine Aufmerksamkeit zwischen ihr und dem Prinzen. Hinter dem Altar ging Talia auf und ab; ihrem maskenhaften Gesicht war der Argwohn deutlich anzusehen.
Was war Gerta? Konnte Schnee wirklich eine echte Person erschaffen haben, ein Individuum mit eigenem
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