Daemon von Karanda
versuchte!«
Polgara trat zu ihr und schloß sie tröstend in die Arme.
Auch in Garions Augen glänzten Tränen, und sein Griff um das Schwert war so verkrampft, daß sich seine Fingerknöchel weiß unter der Haut abhoben. Er verspürte ein fast unüberwindbares Bedürfnis, irgend etwas zu zerschmettern.
Belgarath fluchte vor sich hin.
»Was ist los?« fragte ihn Silk.
»Das war der Hauptgrund, weshalb ich hierher mußte«, knirschte der alte Mann. »Ich brauche eine einwandfreie Ausgabe der Ashabiner Orakel.
Und jetzt ist mir Zandramas zuvorgekommen!«
»Vielleicht gibt es noch ein Exemplar.«
»Bestimmt nicht. Sie war überall vor mir da und hat jedes verbrannt.
Falls es hier tatsächlich mehr als ein Exemplar gegeben hat, hat sie zweifellos dafür gesorgt, daß es mir nicht in die Hände fällt. Deshalb ist sie auch so lange hiergeblieben – sie hat alles auf den Kopf gestellt, um sicherzugehen, daß sie auch wirklich das einzige Exemplar hat.« Er fing aufs neue zu fluchen an.
»Ist das vielleicht von irgendeiner Bedeutung?« fragte Eriond. Er trat an einen Tisch, der im Gegensatz zu allen anderen staubfrei, ja sogar poliert war. Genau in der Mitte der Tischplatte lag ein Buch, in schwarzem Leder gebunden, und links und rechts davon stand ein Kerzenhalter. Eriond griff danach, und als er es aufhob, fiel ein ordentlich gefaltetes Stück Pergament heraus. Der junge Mann bückte sich nach dem Pergament und warf einen Blick darauf.
»Was ist das?« fragte Belgarath ungeduldig.
»Eine Botschaft«, antwortete Eriond. »An dich.« Er händigte dem alten Mann Pergament und Buch aus.
Belgarath las die Botschaft. Sein Gesicht wurde plötzlich blaß, dann tiefrot. Er knirschte mit den Zähnen, und an Schläfen und Hals schwollen ihm die Adern an. Garion spürte plötzlich das Branden von Belgaraths Willen.
»Vater!« warnte Polgara. »Tu es nicht. Denk daran, daß wir nicht allein hier sind!«
Mühsam beherrschte er sich. Er zerknüllte das Pergament zu einem Ball und warf es so heftig auf den Boden, daß es hochhüpfte und dann durch die Bibliothek rollte. Er schwang die Hand mit dem Buch zurück, als wolle er es dem Pergamentball nachschicken, doch dann besann er sich. Er schlug das Buch auf gut Glück auf, blätterte ein paarmal um, und begann erneut wild zu fluchen. Er streckte Garion das Buch entgegen. »Da, sieh es dir an!« Er fing mit Gewittermiene an hin und her zu laufen, dabei fuch-telte er mit den Händen in der Luft.
Garion schlug das Buch ebenfalls auf und hielt es schräg, damit das La-ternenlicht darauf fallen konnte. Er erkannte sofort den Grund für Belgaraths Zorn. Ganze Absätze waren ausgelöscht – nicht einfach mit Tinte übermalt, sondern fein säuberlich mit einem Rasiermesser oder sehr scharfem Dolch herausgeschnitten. Jetzt fing auch noch Garion zu fluchen an.
Neugierig hob Silk das Pergament auf und las. Er schluckte schwer, dann blickte er fast ängstlich auf den immer noch fluchenden Belgarath.
»Oje«, sagte er.
»Was ist?« fragte Garion.
»Ich glaube wir täten alle gut daran, deinem Großvater eine Weile aus dem Weg zu gehen«, antwortete der Rattengesichtige. »Es könnte eine Zeitlang dauern, bis er sich wieder gefaßt hat.«
»Lies es, Silk«, forderte Polgara ihn auf, »und mach keine Randbemer-kungen.«
Wieder blickte Silk auf Belgarath, der nun am hinteren Ende der Bibliothek angelangt war und mit den Fäusten auf die Wand hämmerte. »Belgarath«, las er. »Ich habe Euch geschlagen, alter Mann! Jetzt begebe ich mich zur endgültigen Begegnung zu dem Ort, der nicht mehr ist. Folgt mir, wenn Ihr könnt. Vielleicht hilft Euch dieses Buch.«
»Ist es unterschrieben?« fragte Sammet.
»Mit Zandramas, natürlich.«
»Das ist ein wahrhaftig beleidigender Brief«, murmelte Sadi. Er blickte auf Belgarath, der immer noch vor ohnmächtiger Wut mit den Fäusten gegen die Wand hämmerte. »Ich bin überrascht, daß er es alles in allem so gut hinnimmt.«
»Es beantwortet jedoch eine Menge Fragen«, murmelte Sammet nachdenklich.
»Die wären?«
»Wir fragten uns, ob Zandramas noch hier ist. Ganz offensichtlich ist sie nicht mehr da. Nicht einmal ein Idiot würde diese Art von Botschaft für Belgarath schreiben und dann in der Nähe verweilen.«
»Das stimmt«, bestätigte er. »Dann ist es sinnlos, wenn wir noch länger bleiben. Das Auge hat die Spur aufgenommen, warum schleichen wir uns dann nicht aus dem Haus und folgen ihr?«
»Ohne festzustellen, wer hier ist?«
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