Dämon
blieben auf der Treppe stehen, blinzelten in die Sonne, steckten die Zigaretten an, rauchten und starrten verdrossen hinaus in den Tag.
Jefferson ging am Empfangsschalter vorbei und betrat durch eine Schwingtür den Raum, in dem sein Schreibtisch stand. Er stolperte über eine hoch stehende Fliese im Boden und machte ein paar hastige Schritte, um das Gleichgewicht wiederzufinden. Der Chief beschwerte sich seit Jahren bei der Stadtverwaltung und wollte einen höheren Etat, doch bisher war nichts geschehen. Brogan saß über seinen Schreibtisch gebeugt, einen Telefonhörer ans Ohr gedrückt. Er blickte nicht auf, als Jefferson an ihm vorbeiging und in dem gepolsterten Ledersessel hinter seinem Schreibtisch Platz nahm. Langsam ließ er den Blick durch das Büro der Mordkommission schweifen. Zwei Fenster hoch an der Wand ließen das Sonnenlicht durch staubige Scheiben ins Büro. An einer Wand hing eine Karte von Boston, neben einem Poster, das eine Zeichnung von einem riesigen Fuß zeigte, der ein Crack-Röhrchen zerstampfte.
Brogan legte auf, lehnte sich im Stuhl zurück und sagte: »Scheiße, verdammte.«
»Was ist denn?«
»Ich habe gerade mit Lyerman telefoniert. Hab ihn nach den Audioaufzeichnungen vom Dach gefragt, von denen wir ziemlich sicher sind, dass er sie besitzt …«
»Und?«
»Er sagt, er kann ihre Existenz weder bestätigen noch dementieren, aber wenn es solche Bänder gäbe, müssten wir einen Gerichtsbeschluss vorlegen, wenn wir sie hören wollen, weil sie möglicherweise Firmeninformationen enthalten. Man könnte glauben, wir würden nicht herauszufinden versuchen, wer seinen Jungen ermordet hat. Na ja.« Brogan knackte gedankenversunken mit den Knöcheln. »Bist du ausgeschlafen?«
»Geht so.«
»Und bist du bereit, den täglichen Kampf gegen das Verbrechen aufzunehmen?«
Jefferson zuckte die Schultern. »Ja, sicher.«
»Okay, warte einen Moment, ich will nur eben noch zu Hause anrufen und Amelia fragen, ob ich heute Abend Essen mit nach Hause bringen soll.« Brogan griff erneut nach dem Telefon.
Amelia kümmerte sich fast rund um die Uhr um Brogans Kinder. Vor sechs Monaten war Brogans Frau von der Spätschicht aus dem Mass General, in dem sie als Krankenschwester gearbeitet hatte, auf dem Nachhauseweg verunglückt. Ihr kleiner, zweitüriger Dodge Neon war frontal von einer Gruppe Studenten in einem Ford Expedition gerammt worden, der ihr in der Ausfahrt von der I-95 auf der falschen Seite entgegengekommen war. Der Neon, in dem Michele Brogan saß, war zwischen dem schweren Expedition und den massiven Betonblöcken zerquetscht worden, die die Auffahrt begrenzten. Der Verkehr hatte sich kilometerlang gestaut, bevor die beiden Wegen von der Fahrbahn geräumt waren. Die Studenten waren am nächsten Morgen unversehrt in ihre Vorlesungen zurückgekehrt. Brogans Frau hingegen hatte drei Tage im Koma gelegen, bevor sie an einem Blutgerinnsel im Hirn gestorben war.
Brogan war allein zurückgeblieben – mit einer Hypothek, zwei kleinen Töchtern und Fotos von seiner toten Frau. Jefferson war beim Begräbnis dabei gewesen und hatte zugesehen, wie Brogan mit feuchten Augen dagestanden hatte, als der Sarg seiner Frau im Boden versank. Er hatte die Hand seiner vierjährigen Tochter gehalten, während das Baby in einer weißen Plastikschaukel im Gras gesessen hatte.
Seit jenem Tag hatte Brogan seine Frau nie mehr erwähnt. Er hatte noch immer ihr Bild im Büro, doch es stand nicht mehr auf seinem Schreibtisch, sondern lag in der Schublade.
»Kein Grund zur Eile. Die Spurensicherung war auch noch nicht da.« Brogan blickte vom Telefon auf, während er die Nummer von zu Hause wählte.
»Warum nicht?«
»Eine Schießerei in einem Schnapsladen in Dorchester. Sie waren zuerst dort.«
»Wäre nicht schlecht, wenn wir mehr Personal hätten.«
»Da hast du verdammt Recht, Bruder.«
Die Fahrt zum Granary-Friedhof dauerte nicht lange. Schon aus einiger Entfernung bemerkte Jefferson die lange Reihe von Streifenwagen, die vor dem Friedhof parkte. Drei Mannschaftswagen und eine Ambulanz waren ebenfalls dort. Ihre Scheinwerfer leuchteten stumpf im Licht der Morgensonne. Eine Menschenmenge hatte sich auf dem Bürgersteig versammelt und beobachtete das Geschehen. Jefferson sah einen großen weißen Übertragungswagen mit der Aufschrift WCVB CHANNEL 5 BOSTON an der Ecke.
Brogan lenkte den Wagen an den Straßenrand und stellte den Motor ab. Die beiden Detectives stiegen aus und gingen das letzte Stück zu
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