Dämonen-Reihe Bd. 4 Traumsplitter
vor Recht ergehen und erteile keinen Platzverweis. Aber vielleicht kannst du mir trotzdem erklären, wie wir zwei gemeinsam den Garten verlassen können. Das letzte Mal, als ich am Weiher gewesen bin,wurde er gerade vom Feuer meines Erwachens heimgesucht. Nun ist
davon nicht die geringste Spur zu entdecken.«
Erst jetzt betrachtete Gabriel seine Umgebung genauer. Er befand sich in Ellas
Gartentraum, mitten in einer herrlichen Sommernacht – doch plötzlich beschlich ihn der Verdacht, dass sie nicht alleine waren. Er war nicht der Einzige, den Ella eingeladen hatte.
-
Gabriel stand auf und zog Ella mit sich.
»Was hast du?«, wisperte sie.
»Es wäre großartig, wenn du den Garten erneut in Brand setzen würdest.«
»Du meinst, es ist an der Zeit aufzuwachen? Ich bin mir nicht sicher, ob ich das einfach so kann. Als mein Erwachen den Traum das letzte Mal in Brand gesteckt hat, hatte das nichts mit meinen Wünschen zu tun, ansonsten hätte ich es nämlich aufgehalten.« Ella stockte.
»Warte mal. Wenn ich aufwache, wo wirst du dann sein? Wachst du mit mir zusammen auf?«
Gabriel seufzte. Die letzte Frage war eine Frage zu viel gewesen. Dabei musste Ella
umgehend fort, sie war ohnehin schon ein viel zu großes Risiko für ihn eingegangen. »Das dürfte schwierig werden, ich besitze nämlich keine Pforte mehr. Die habe ich hinter mir gelassen, als ich mir Bernadettes Traum unterworfen habe«, gestand er notgedrungen ein.
»Es ist aber nicht schlimm, wenn du allein aufwachst. Du weißt ja, wo du mich finden kannst: in deinem Garten. Selbst wenn ich ihn verlassen wollte, wäre es unmöglich, wie du weißt.
Also, dann denk jetzt einmal ganz fest daran, wie es ist, aufzuwachen.«
»Gabriel?«
Ella starrte ihn mit einem Blick an, den er spontan seiner Grundschullehrerin zuordnete, die ihn gerade beim Mogeln erwischt hatte. Unwillkürlich zog er den Kopf zwischen die
Schultern. »Ja?«
»Ich hasse halbe Wahrheiten. Du verheimlichst mir etwas, das merke ich doch. Und weißt du, warum? Weil du es schon einmal getan hast. Den nebensächlichen Umstand, dass du
dem Inkubus einen Traum schuldest. Gehen wir das einmal Schritt für Schritt durch: Du hast vor, in meinem Garten zu bleiben. Und zwar endgültig.«
Gabriel schaute sich um, nicht bloß, weil er ihren Blick lieber mied, sondern weil er damit rechnete, dass sie bald Gesellschaft bekommen würden. »Genau«, bestätigte er.
»Und welche Probleme werden sich daraus für dich ergeben?«
»Na ja, Probleme …«
»Hör auf, dich dumm zu stellen.«
Dann sah er, worauf er die ganze Zeit gehofft hatte: Die Sonne ging am Horizont auf. Ella erwachte. Endlich. Er ignorierte ihre Wut, schloss sie in seine Arme und gab ihr einen federleichten Kuss auf die Lippen. Unerklärlicherweise schmeckte sie nach Johannisbeeren.
»Vielen Dank, dass du gekommen bist, um mich zu holen. Vielmehr noch: Was du für mich aufzugeben bereit warst. Jetzt, da ich meinen Traum zurückhabe, weiß ich das besser
einzuschätzen als je zuvor. Aber nun ist es an der Zeit für dich, den Garten zu verlassen.«
»Nicht ohne dich.«
»Ich habe hier noch etwas zu erledigen. Ich muss …«
»Wegezoll zahlen«, beendete eine überirdische Stimme hinter ihm den Satz.
Gabriel erkannte diese Stimme sofort, obwohl er sie nur ein Mal, und das vor Jahren, vernommen hatte. Bestürzt riss er den Kopf herum. In seinem Schatten stand ein Abbild von ihm, doch es war nicht einfach eine Spiegelung – es war seine Erscheinung als Teil dieses Gartens, ein Faun, ein Waldgeist.
»Ich schulde dir nichts, schließlich wandle ich nicht länger«, sagte Gabriel, wobei er dem Verlangen widerstand, den weißgolden schimmernden Körper des Inkubus zu berühren. Fast glaubte er, eine Reflexion seines eigenen Oberkörpers auf dessen breiter Brust zu erkennen.
Als würden sie einander überlagern.
»Du schuldest mir nichts, richtig.« Die Flammen auf den Baumgipfeln zauberten dem
Inkubus ein warmes Leuchten auf die Wangen und ließen ihn lebendig, wenn auch
keineswegs menschlich aussehen. »Aber du befindest dich in einem Traum, den ich als Lohn für meine Mühe beanspruchen könnte. Und ich befürchte, dass er für uns beide nicht groß genug ist.«
»Was hast du dem Inkubus versprochen?«, fuhr Gabriel Ella an, die sich bislang auffällig zurückgehalten hatte.
Demonstrativ schob sie das Kinn vor. »Einen Preis natürlich, was sonst. Dafür, dass er mir den Weg ins Grenzgebiet gezeigt hat, in dem du gefangen
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