Dämonen-Reihe Bd. 4 Traumsplitter
warst. Ohne seine Hilfe hätte ich dich nicht befreien können, verstehst du?«
»Ich verstehe, dass du diesem unersättlichen Quälgeist deinen Traum versprochen hast.
Einen Traum, in den du nicht zurückkehren kannst, wenn er erst einmal ihm gehört, und in dem er meine Anwesenheit nicht dulden wird. Ella, er hat dich übers Ohr gehauen!«
»Stimmt das?«, fragte Ella den Inkubus, der seine langen, goldenen Krallen nach ihr
ausstreckte. »Wirst du Gabriel verdrängen, wenn ich dir den Garten überlasse?«
»Nicht, wenn du mir in Aussicht stellst, mir einen deiner Träume freiwillig zu überlassen, wenn ich dich darum bitte. Ich will dich, meine Nymphe, in dir schlummert nämlich mehr als nur ein Traum, den ich erlangen möchte. Reich mir deine Hand.«
Mit einer geschickten Bewegung entwand Ella sich Gabriels Griff. Er schrie vor Entsetzen auf. »Nein!« Als er ihr nachhasten wollte, schichteten sich in Windeseile die Ufersteine zu einer Mauer auf. Erbost schlug er gegen den brusthohen Sims, Kiesel flogen davon und kehrten sofort an ihren Platz zurück. Es war, als würde man gegen eine Wasserwand
ankämpfen, während das zerstörerische Feuer bereits über seine Haut leckte.
»Ella, hör auf mit dem Unsinn.«
Traurig schüttelte sie den Kopf. Die Sterne auf ihrem Gewand waren erloschen, das eben noch kräftige Nachtblau verwaschen, die Schleppe verwandelte sich in Rauchschwaden. »Es tut mir leid, aber ich habe keine andere Wahl. Außerdem … was ist denn schon ein Traum gegen die Vorstellung, dass du erlischst? Ich habe keine andere Wahl.«
Der Inkubus streckte erneut seine Hand aus, als würde er Ella zu einem Tanz auffordern.
»Wenn ich bitten darf?«
Unterdessen hatte sie das Feuer bereits eingekreist, seine Zungen verschlangen gierig das Grün des Waldes, zerstörten die Schattenwelt zwischen den Sträuchern und Farnen,
brachten das Wasser des Weihers zum Verdampfen. Nebel breitete sich aus und
verschluckte, was das Feuer noch nicht aufgefressen hatte.
Ella nickte und reichte dem Inkubus die Hand.
In diesem Moment traf Gabriel eine Entscheidung. Er vergaß das Erwachen, das den
Traum zu vernichten drohte, er vergaß den Handel, den Ella seinetwegen einzugehen bereit war, und er vergaß den Inkubus. Alles, was er dachte, war: Ich kann mir den Garten nehmen.
Warum nicht? Schließlich habe ich es mit der Unterwerfung von Bernadettes Traum schon einmal getan. Ich mag nicht genug Mensch sein, um die Grenze zu passieren, aber doch genug, um zu gestalten. Ich muss mir den Garten nur nehmen, bevor Ella ihn verschenkt.
Als Gabriel die Augen aufschlug, stand er nicht länger hinter einer Mauer aus aufgehäuften Steinen, sondern vor Ella. So, wie er es wollte. Ohne Zögern nahm er ihre dargebotene Hand, zog sie an sich. Hinter ihm brüllte der Inkubus zornentbrannt auf.
»Was …?« Verwirrung stand in Ellas Augen, doch er hatte keine Zeit, sich ihr zu erklären.
Stattdessen riss er sie an seine Brust, und gemeinsam stürzten sie in den Spiegel des Weihers, bevor die aufsteigende Sonne die Pforte schloss.
Kapitel 39
Aufgetaucht
Als Ella erwachte, fand sie sich an einem vollkommen verkehrten Ort wieder.
Eigentlich hätte sie auf dem quietschenden Bettgestell in ihrem Schlafzimmer zu sich kommen sollen, dort, wo sie auch eingeschlafen war. Oder an einem anderen Ort, von dem sie jetzt beim Aufwachen jedoch nicht mehr als eine vage Vorstellung hatte. Geradezu panisch versuchte sie, sich an den Bildern in ihrem Kopf festzuhalten, doch schon entglitt ihr der Traum. Zurück blieb eine Ahnung von verbrannter Myrte und ein Rauschen in den Ohren, als würden Wellen sie umtosen. Wo sie nun lag, quietschte nichts, und es war eindeutig trocken. Wo war sie bloß? Zumindest konnte sie mit Sicherheit sagen, dass sie sich in einem Zimmer der Villa befand, wie sie unschwer an dem vertrauten Geruch nach altem Gemäuer und frischer Malerfarbe erkannte, während ihr verschwommener Blick noch nach einem
Anhaltspunkt suchte.
Da! Das kam ihr vertraut vor. Fliegende Sterne auf blauem Grund. Das war … ein Vorhang im Windzug. Kimis Zimmer.
»Hier habe ich doch absolut nichts zu suchen.«
Ella setzte sich auf, die dröhnenden Kopfschmerzen und das Schwindelgefühl ignorierend.
Ob sie in Kimis Reich nun etwas zu suchen hatte oder nicht – fest stand, dass sie in seinem T-Shirt mit der aufgedruckten Bondage-Lady steckte. »Kimi, das mit dem Klamottentausch hört sofort wieder auf! Du kannst gerne meine Sachen tragen,
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