Dämonen-Reihe Bd. 4 Traumsplitter
vermutlich bis ans Ende
meines Lebens peinlich sein wird«, begann Kimi zu erzählen. »Ich habe da so ein paar Kisten geöffnet … Du weißt schon: Wo ich halt so drauf stehe, diese ganzen schrägen
Sachen, und dass ich mich deshalb plötzlich ganz mies und irgendwie dreckig fühle … Na ja, sie hat es erstaunlich wacker ertragen. Deine Nora ist cooler, als ich gedacht habe. Muss ich ihr schon lassen. Gereicht hat es trotzdem nicht, ich hatte voll den Redebedarf.« Kimi grinste verlegen. »Sobald Nicki Feierabend hatte, kam sievorbei, und es ging in die nächste Runde.
Ich habe der einenderartigen Mist erzählt, alles über meine verkorkste Kindheit und die noch verkorksteren letzten Jahre. Nur diese Traumgeschichte mit den Ranken habe ich mir
aufgespart, damit schocke ich deine Freundinnen bei der nächsten Gelegenheit. Du brauchst nicht gleich ohnmächtig werden, Tante Ella. Das war ein Scherz. Den Rankentraum behalte ich schön für mich, er verblasst eh schon, wenn du es genau wissen willst. Als hätte jemand den Kontakt zwischen mir und der Erinnerung durchgeknipst. Die Ranken auf meiner Haut sieht man mittlerweile nur, wenn man genau hinschaut. Ich glaube, ich bin noch einmal mit einem blauen Auge davongekommen.« Kimi hielt kurz inne, dann zuckte er mit den
Schultern, beinahe ein wenig schwermütig. »Als meine Zunge vom vielen Reden jedenfalls nur noch aus Fetzen bestand, habe ich eine Zeit lang dumpf vor mich hin gestarrt, bis selbst der wachsame und allzeit bereite Gregor eingeschlafen war. Dann habe ich mich aus dem Staub gemacht. Du glaubst nicht, wie leise ich in meinen Stiefeln seinkann, wenn ich will. Ich habe mir ein Fahrrad ausgeliehen, von dem wir jetzt einfach mal annehmen, dass es Nora oderzumindest einer von den bräsigen Medizinhühnern aus ihrerWGgehört. Tja, und dann bin ich zu dir zurückgekehrt.« Kimi wurde knallrot. »Also, in mein Zimmer natürlich. Obwohl
… auch nicht ganz … Ich habe erst nach dir Ausschau gehalten. Dachte, du hättest dich waidwund im Garten verkrochen. War gar nicht so verkehrt, mein Gedanke. Auf dem Weg
habe ich nämlich ein Prusten und Schniefen beim Teich gehört. Du hast es aus eigener Kraft kaum bis ans Ufer geschafft. Ich weiß echt nicht, wie ich dich ins Haus bekommen habe …
War aber gut so, denn nur ein paar Minuten später schlug Opa Eike auf. Ich habe dem
irgendeine wirre Story aufgetischt, bitte frag mich nicht nach Details. Opa Eike hat mich daraufhin allen Ernstes gefragt, ob ich Alkohol getrunken habe. Ich meine: Alkohol? Ich?
Mann, kann der froh sein, dass der neue Kimi ein freundlicher Bursche ist, der alte hätte ihm glatt den Marsch geblasen.«
Obwohl es kaum möglich schien, musste Ella schmunzeln. Wenigstens für einen kurzen
Moment. »Da war also wirklich nur ich in dem Teich? Niemand, dem es vielleicht misslungen ist aufzutauchen? Ein Schemen unter der Oberfläche oder sonst etwas Seltsames?«
Kimi schüttelte den Kopf. »Nur du und jede Menge Wasserpflanzen, in denen du dich mit den Beinen verheddert hast. Glaub mir, ich habe ziemlich genau auf den Spiegel … ich mein: auf das Wasser gesehen. Da war niemand anders. Aber du hast geredet, nur ein paar Sätze:
›Er ist nicht mitgekommen! Warum ist er nicht mitgekommen?‹«
Ja, warum war Gabriel zurückgeblieben? Diese Frage würde Ella verfolgen, bis sie eine Antwort darauf fand. Worin die bestehen mochte, konnte sie sich nicht einmal ansatzweise vorstellen. Als Eike mit einem Tablett, voll beladen mit Teetassen und Sandwichs, das Zimmer betrat, nahm sie dankbar eine Tasse mit dampfendem Tee entgegen, denn trotz der Sommerwärme war ihr kalt. Und sie hegte Zweifel, dass sich daran etwas ändern würde, solange sie ihre Sonne nicht wiederfand.
Kapitel 40
Übergangsschmerz
Drei Tage war es her, seit Kimi sie an Land gezogen hatte. Drei durchgrübelte
Tage, an denen ihr Vater versuchte, hinter das Geheimnis ihres Kummers zu gelangen,
ohne allzu aufdringlich zu sein. Drei Tage voll grausamen Sonnenscheins, der auf dem Wasser des Teichs tanzte und sie frieren ließ, als wären seine Strahlen Eiszapfen.
Drei traumlose Nächte.
Drei einsame Nächte.
Und kein Ende in Sicht.
An diesem Abend waren Sören und Liv zum Abendessen vorbeigekommen, nachdem Kimi
klargestellt hatte, dass er unter gar keinen Umständen wieder bei seinen Eltern einziehen würde und dass sie, sollten sie nur kommen, um ihr schlechtes Gewissen zu beruhigen, auch gleich wegbleiben konnten. Irgendwie
Weitere Kostenlose Bücher