Dämonen-Reihe Bd. 4 Traumsplitter
eingeholt.
»Du wachst jetzt auf«, fordert Gabriel eindringlich.
Der Traum verblasste so umgehend, dass es sich für Ella ein zweites Mal so anfühlte, als würde sie zurückgestoßen. Brutal und viel zu schnell stieg sie auf. Die Hand immer noch ausgestreckt, fand sie sich vor dem Spiegelrahmen wieder, das Bedürfnis, ihn zu berühren, gänzlich ausgelöscht. Vielmehr riss sie den Arm zurück, als hätte sie sich verbrannt. An der unerträglichen Kälte.
Trotzdem war es mit Abstand der realste Traum gewesen, an den sie sich erinnern konnte.
Ihr war alles erlaubt gewesen: Sie hätte durch die Luft schreiten oder sich in eine andere Person verwandeln können. Also genau so, wie es sein sollte … nur mit dem Unterschied, dass die Situation nicht im Geringsten etwas mit dem üblichen wirren Gemisch ihres
Unbewussten zu tun hatte. Falls der Traum wirklich sehr dicht an der Realität angesiedelt war, wie passte da dann bitte schön ein zurückhaltender Gabriel hinein? So, wie Ella ihn bislang kennengelernt hatte, wäre eine Frau, die ihn küssen wollte, eine willkommene Unterhaltung gewesen. Gabriel, der so gern lächelte und den Charme eines Zugvogels hatte.
In ihrem Traum hatte er sich ihr nicht nur verweigert, als die Dinge sich zuspitzten, sondern sie darüber hinaus aufgefordert aufzuwachen – regelrecht befohlen hatte er es.
Als die bittere Enttäuschung über Gabriels Zurückweisung wich, war es dieser Befehl, der Ella stutzig machte. Er hatte diesen ungewöhnlichen Traum abgebrochen. Obwohl alles
darauf hinwies, dass er sich genau das Gegenteil wünschte.
»Du machst dich lächerlich«, führte Ella sich vor Augen, doch es half nichts. Sie musste Klarheit erlangen.
Viel zu schnell hatte sie die Klinke zu seinem Schlafzimmer in der Hand und drückte sie hinunter. Erste Sonnenstrahlen fielen durchs Fenster. Gabriel lag mit dem Rücken zu ihr auf seinem Futon, bis zur Taille mit einem dünnen Laken zugedeckt, und schlief.
Was hast du anderes erwartet?, fragte sie sich. Im Gegensatz zu dir macht er das einzig Richtige: die schwüle Sommernacht verschlafen.
Trotzdem blieb sie in der Tür stehen und starrte auf seinen sich hebenden und senkenden Rücken. Auf und ab. Ein ums andere Mal.
Ella biss die Zähne so fest aufeinander, bis sie den Druck unter ihrer Schädeldecke spürte.
Nicht auszudenken, falls sie sich irrte. »Du atmest zu schnell für jemanden, der schläft«, sagte sie leise.
Augenblicklich rollte Gabriel sich auf den Rücken und stützte sich auf die Unterarme. Er blickte sie prüfend aus so wachen Augen an, dass sie nach dem Türrahmen griff, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Sie hatte sich nicht geirrt.
»Und du läufst zu viel herum für jemanden, der gerade erst aus einem Traum erwacht ist«, hielt er ihr trocken entgegen. »Dabei kann man in einem so benebelten Zustand wohl kaum Traum und Wirklichkeit auseinanderhalten.«
»Du warst bei mir, nicht wahr?« Ella wankte einige Schritte auf den Futon zu, unschlüssig, um was es ihr eigentlich ging.
Gabriel schien das ähnlich zu sehen. »Ella, du bist noch nicht ganz Herrin deiner Sinne.
Geh zurück ins Bett und vergiss alles andere.«
Das sollte ich wirklich tun, ich mache mich hier eindeutig zum Idioten. Und trotzdem!
»Zuerst dachte ich, ich könntemich nicht an den Traum erinnern, aber dann hat der Spiegel mir gezeigt, dass du bei mir gewesen bist. Es war so real.«
Weiter kam Ella nicht, denn mit einem schnellen Sprung, von dem sie nicht die Bewegung, sondern nur das Ergebnis mitbekam, verließ Gabriel das Bett und packte sie am Oberarm.
Ein brennender Schmerz breitete sich unter seinem Griff aus, der jedoch nichts mit dem Feuer aus ihrem Traum gemeinsam hatte.
»Du hast in meinem Spiegel deinen Traum gesehen?«, fragte Gabriel mit einer vor
Anspannung heiseren Stimme.
»Ich weiß, dass die Geschichte mit dem Spiegel verrückt klingt, aber es war gerade so, als wollte er mir den Traum zeigen. Er hat mich angelockt«, verteidigte sich Ella.
Die Kiefermuskeln zuckten und verliehen Gabriels stets unbekümmertem Gesicht eine
gefährliche Note. Ich habe ihn falsch eingeschätzt, wurde Ella klar. Dieser Mann ist ein Sonnenschein, der das Leben nimmt, wie es kommt. Aber er kann auch ganz anders …
wenn man ihn dazu zwingt, ihn in die Ecke drängt.
Allmählich lockerte Gabriel den Griff um ihren Arm, und seine Mundwinkel zuckten nach oben. »Tut mir leid, aber ich bin durch deinen Auftritt irgendwie aus der Spur
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