Daemonenblut
setzte allerdings voraus, dass sich in den Schränken mehr persönliche Gegenstände befanden, als offen herumstanden. Mir gefiel das nicht. Das Ganze war auch so schon ziemlich heikel. Andererseits war ich hier, weil ich Antworten suchte. Jetzt zu gehen, ohne es zumindest zu versuchen…
Die Entscheidung wurde mir abgenommen. Noch während mein Gewissen und meine Neugier miteinander rangen, hörte ich von draußen ein Geräusch.
Die Tür!
» Da kommt jemand! « , kommentierte Hugh das Offensichtliche.
Ich hatte nirgendwo einen Hinweis gefunden, dass außer Miles noch jemand hier wohnte. Aber vielleicht hatte er eine Freundin, die einen Schlüssel besaß, oder die Erben kamen, um sich seinen Krempel unter den Nagel zu reißen. Wer es auch war, ich saß gewaltig in der Tinte.
» Versteck dich! « , raunte Hugh mir zu und verblasste.
19
Ich wünschte, ich könnte mich ebenfalls einfach in den Äther verpfeifen– ich wäre auch damit zufrieden gewesen, im Erdboden versinken oder mich auf den Mond beamen zu können. Hauptsache, weg hier!
Da meine Möglichkeiten, mich aus dem Staub zu machen, eher begrenzt waren, schlich ich zur Tür, die vom Schlafzimmer auf den Flur führte, und lauschte. Schritte näherten sich über den Gang. Schnell huschte ich durch die andere Tür ins Wohnzimmer. Mir blieb keine Zeit mehr, die Tür zu schließen, denn der Eindringling (okay, eigentlich war ich hier wohl der Eindringling) trat ins Schlafzimmer. Hastig drückte ich mich neben der Verbindungstür an die Wand, ohne mehr als einen Schatten auszumachen.
Eng an die Wand gepresst, verharrte ich und lauschte den Schritten nebenan, fragte mich bei jedem Knarren, jedem noch so winzigen Rascheln, wo der Kerl sein mochte. Was, wenn er ins Wohnzimmer kam und mich neben dem Durchgang fand, an die Wand geklatscht wie eine unliebsame Mücke?
Polizei. Fingerabdrücke. Gegenüberstellung. Jugendknast. Irgendwo dazwischen vielleicht noch eine Verhandlung, bei der ein Richter mit einem Hammer auf einen Tisch schlug, damit auch der letzte Trottel kapierte, dass mein Schicksal besiegelt war.
Allerdings kam mir noch eine Variante in den Sinn, die schlimmer war als Knast. Was, wenn es kein Freund, keine Freundin und kein gieriger Erbe war– sondern Miles’ Mörder? Der Blonde, den ich in meiner Vision gesehen hatte.
Die Schritte kamen näher. Ein langer Schatten fiel ins Wohnzimmer. Wenn ich mich noch enger an die Wand presste, würde ich ein Teil des Mauerwerks werden. In meiner augenblicklichen Lage keine schlechte Idee. Ich hielt die Luft an, wartete darauf, dass dem Schatten die dazugehörige Gestalt folgte, als ein Krachen aus dem Schlafzimmer zu hören war. Schlagartig zog sich der Schatten zurück. Und ich traute mich wieder zu atmen.
» Mach schnell! « Hugh tauchte so plötzlich vor mir auf, dass ich einen Aufschrei nur unterdrücken konnte, indem ich mir schmerzhaft auf die Zunge biss. » Die zugeknallte Schranktür wird ihn nicht ewig ablenken. «
Vom Kleiderschrank aus war das Wohnzimmer nicht einsehbar. Wenn der Kerl dort hingelaufen war, würde er nicht sehen, wie ich mich aus dem Staub machte. Vorausgesetzt, er stand auch wirklich dort.
» Du bist außer Sicht. Lauf! «
Angetrieben von Hugh, durchquerte ich mit großen Schritten das Wohnzimmer, dankbar für den dicken Teppich, der jedes Geräusch schluckte. Da die Tür zum Gang geschlossen war und ich nicht wagte, sie zu öffnen, nahm ich den Durchgang in die Küche und stürmte von dort auf den Gang.
Hugh, der mir vorausgeeilt war, stieß einen Schrei aus. Aber es war zu spät. Der Kerl hatte das Schlafzimmer verlassen und nichts Besseres zu tun, als das Wohnzimmer auszulassen und geradewegs in den Flur zurückzukehren. Jenen Flur, in dem ich gerade auf die Wohnungstür zustürzte.
Die Tür lag auf halber Strecke zwischen uns. Wenn der Kerl mir den Gefallen tat, überrascht innezuhalten oder zumindest kurz zu zögern, konnte ich es schaffen. Dann musste ich ihn nur noch irgendwie abhängen. Und hatte, nach der Frau mit dem Kinderwagen, Augenzeuge Nummer zwei auf meiner Liste. Oder Miles’ Mörder auf den Fersen.
Vielleicht hätte es geklappt. Vielleicht hätte ich die Tür vor ihm erreicht und wäre davongekommen. Hätte ich ihn nicht im selben Moment erkannt.
Was zum Geier hatte der Lackaffe hier zu suchen?
Ich zögerte nur einen winzigen Augenblick, doch das reichte ihm, um die Tür vor mir zu erreichen. Mit zwei großen Schritten war er dort und verstellte mir
Weitere Kostenlose Bücher