Dämonendämmerung - Die Auserwählte (German Edition)
veranlasst hat. In einer ungezwungenen Atmosphäre spricht es sich wesentlich leichter über Zukunftsvisionen. Zumal, wenn sie bahnbrechend sind.“
Doro spürte wie sich die Unruhe zurückmeldete. Sie drückte ihren Rücken gegen die Sessellehne und brachte sich in eine aufrechte Sitzposition, die ihre innere Anspannung kaschieren sollte. Was immer Heyder ihr auch auftischte, sie musste das hier durchziehen, danach konnte sie sich ihren nächsten Schritt überlegen. Sie nahm ihr Weinglas. Sachte drehte sie es zwischen ihren Handflächen, um ihre nervösen Finger zu beschäftigen. „Darf ich fragen, wie deine Visionen aussehen?“ Sie wunderte sich, wie gelassen ihre Stimme, trotz ihres aufgewühlten Seelenzustands klang.
Heyder lächelte. Er beugte sich vor, streckte eine Hand nach ihr aus und machte Anstalten sie zu berühren, doch er tat es nicht. „Wie ich sehe, sind wir aus dem gleichen Holz geschnitzt, liebe Dorothea. Bevor ich dich jedoch in meine Pläne einweihe, möchte ich dir eine Frage stellen. Bist du mit der Welt, in der wir leben, zufrieden?“
Doro hob unschlüssig die Schultern. „Im Großen und Ganzen schon.“
„Es gibt nichts, was du gern ändern würdest, wenn du könntest?"
„Wahrscheinlich würde ich mir mehr Gerechtigkeit wünschen.“
„Ein kluger Ansatz. Du hast selbst in deinem Leben eine Menge an Ungerechtigkeit erfahren. Denken wir nur einmal an den Jäger, der dein Pferd erschossen und dadurch deine Karriere zu Nichte gemacht hat. So viel ich weiß, ist er mit einer Bewährungsstrafe davon gekommen.“
Sie verfluchte stumm Erics freigiebige Auskunftsbereitschaft, während die endlos langen Tage im Krankenhaus wie ein Film in ihrem Gedächtnis abliefen, gefolgt von den Verhandlungstagen bei Gericht und den bissigen Bemerkungen des Verteidigers, mit denen der Kerl versuchte hatte, sie noch weiter zu demontieren, obwohl sie doch schon ganz unten angekommen war.
Heyder legte seine Hand auf ihren Arm. „Ich kann sehr gut nachvollziehen, welche Szenen sich in dir abspielen. Und so etwas dürfte es, wenn es nach meinen Vorstellungen geht, zukünftig nicht mehr geben.“
„Was würdest du stattdessen tun?“
„Ich wäre für das Prinzip Auge um Auge.“ Er löste seine schlanken, drahtigen Finger von ihrem Arm.
„Meinst du, es ist tatsächlich so einfach?“
„Nein, bestimmt nicht. Eine neue Weltordnung ist eine sehr komplexe Angelegenheit und jeder Schritt will wohlüberlegt sein. Genauso wie die Wahl der Verbündeten.“ Doro sah in seine stahlgrauen Augen. Sein Blick war kalt und berechnend, der kindliche Glanz war vollständig verschwunden. Heyder schien fest von seiner Idee überzeugt. Sie wandte sich von ihm ab und betrachtete den träge kreisenden Wein in ihrem Glas.
„Ist das Ziel einer neuen Weltordnung nicht ein bisschen hoch gegriffen?“, fragte sie, „Das haben schon andere versucht und sind kläglich gescheitert. Nimm Hitler. Eintausend Jahre sollte sein Reich währen, zwölf Jahre hat er immerhin geschafft. Und das obwohl er weltweit Verbündete, Waffen und Soldaten hatte.“
„Vergiss Typen wie Hitler. Er war größenwahnsinnig und seine Ideologie war nicht zu Ende gedacht. Abgesehen davon, bietet das 21. Jahrhundert ganz andere Möglichkeiten als Waffengewalt und Terror. Aber das alles zu erklären, ginge zu weit.“
„Gut, dann sag mir einfach wie deine Vorstellung aussieht.“
„Dazu kommen wir später. Zunächst möchte ich etwas vorausschicken. Du hast recht, die meisten Weltveränderer sind Diktatoren, denen hauptsächlich daran gelegen ist, die breite Masse auf ihre Seite zu bringen. Ganz gleich wie. Eine Tatsache, die mir zutiefst widerstrebt, denn ich benötige vor allem ungewöhnliche Menschen, die meine Ziele teilen.“ Er unterbrach seine Rede, um ihre Reaktion abzuwarten.
Doro erwiderte nichts, sondern wartete ab. Sie hatte nicht die leiseste Ahnung, wohin sie dieses Gespräch bringen würde. Im Moment fühlte sie nur das Unbehagen, das es ihr bereitete.
Heyder fuhr fort: „Im Grunde möchte ich die Menschheit von ihrer Mittelmäßigkeit befreien, denn nur so haben wir die Möglichkeit uns weiterzuentwickeln und die nächste Stufe der Evolution zu erreichen. Momentan stoßen wir in unserem Handeln und Denken an Grenzen. Räumlich. Politisch. Geistig. Und warum? Weil der Großteil der Menschheit von dem irrwitzigen Glauben beseelt ist, wir wären alle gleich.“
„Sind wir das nicht auch?“, fragte Doro. Ihr ungutes Gefühl
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