DÄMONENHASS
Freundinnen, und Misha wusste, wie sie mit ihren Frustrationen umgingen und ihren überschäumenden Gefühlen Erleichterung verschafften. »Du solltest ihn rauslassen«, sagte sie zu Nathan und hielt ihn immer noch fest, »bevor er noch platzt!«
Und in der Geborgenheit des hohen Grases unter dem Pflaumenbaum hatte sie flüsternd und staunend die violette Farbe seiner geschwollenen Eichel mit der straffen Haut der reifen Pflaumen verglichen und ihn zum Höhepunkt gestreichelt. Seitdem hatte sie ihn drei lange Jahre auf diese Weise zufriedengestellt und ihm gestattet, dieses zärtlichste aller Komplimente zu erwidern. Doch war sie über ihre Jahre hinaus klug und hatte nicht ein einziges Mal zugelassen, dass er in sie kam.
»Oh nein!«, sagte sie, wenn sein Fleisch zu sehr drängte. »Denn wenn ich Kinder bekomme, muss ich sie etwas lehren können, und das kann ich nicht, wenn ich selbst noch so vieles zu lernen habe. Außerdem habe ich mich noch nicht entschieden. Vielleicht liebe ich dich, Nathan, aber ich bin mir nicht sicher. Was ist, wenn ich einen anderen entdecke, den ich wirklich liebe? Dann ist es zu spät! Wenn ich dein Fleisch jetzt sofort in meines lasse, lege ich mich vielleicht fest, ohne es zu wollen.«
Als sie erst vor einem Jahr in der Dämmerung spazieren gegangen und stehen geblieben waren, um sich an einem grasbewachsenen Ufer zu liebkosen, hielt sie ihn pochend in der Hand, und Nathan hatte gesagt: »E-e-er will dich auch küssen. Wo dich nur meine F-finger geküsst haben.«
Und spontan hatte sie ihn tief in den Mund genommen, um ihm den Stachel zu ziehen.
Danach hatte sie gesagt: »Da. Fleisch ist Fleisch, Nathan, aber auf diese Art entsteht kein neues Fleisch.« Damit hatte sie ihm den Finger auf den Mund gelegt und gesagt: »Schhhh! Sag jetzt nichts, gib keine Widerworte! Wir sind jetzt erwachsen. Gib mir noch ein Jahr, und dann – werde ich mich entscheiden. Aber es wird nicht leicht sein. Mein Vater und meine Brüder kennen viele Männer in Siedeldorf, und sie kennen dich. Oh, ich weiß – ich weiß, dass du ganz anders bist, als sie auch nur vermuten können –, aber das macht es nur umso schwerer, sie davon zu überzeugen. Und es könnte ohnehin jemand anderer sein!«
Der einzige Jemand, der in Frage kam, konnte nur Nestor sein. Nathan wusste das, und er hatte geschwiegen. Nur ... Fragen hatte er sich schon gestellt. Denn es hatte auch Gelegenheiten gegeben, bei denen Nestor und Misha allein gewesen waren, und wer konnte schon sagen ...?
... Doch nein, denn Nestor war hinter den anderen Mädchen des Dorfes her, und Nathan hatte niemanden außer Misha. Das machte doch einen Unterschied, oder?
Da nun sein Bruder in seine Träume gelangt war, glitt Nathan weiter vorwärts in die Gegenwart. Misha war nun kein kleines Mädchen mehr, sondern eine junge Frau, die im Haus seiner Mutter saß und im Licht der Lampen und dem Schein des
Feuers wie eine Wildblume wirkte.
Klein, aber langbeinig – elfengleich wie die Geschöpfe der Szgany-Sagen, die tief im Wald leben sollten – war Misha Zanesti der Brennpunkt der Faszination in Nathans Welt. Tatsächlich drehte seine Welt sich allein um sie, und zwar so sehr, dass es ihm schwerfiel, sich auf das zu konzentrieren, was sie und seine Mutter sprachen, da er doch nur Misha ansehen wollte. Auch jetzt, in seinem Traum, fiel ihm nicht mehr ein, was sie damals gesprochen hatten, doch ganz sicher wusste er noch, wie Misha ausgesehen hatte.
Ihr samtenes Haar war dunkel wie die Nacht und schimmerte im Sonnenlicht wie eine Rabenschwinge. Nathan hatte noch nie so schwarzes Haar gesehen. So groß und dunkelbraun waren ihre Augen unter den geschwungenen schwarzen, ausdrucksvollen Brauen, dass auch sie fast schwarz wirkten. Sie schimmerten aufmerksam, wenn sie Nana Kiklus warmer, tiefer Stimme lauschte, und ab und zu nickte sie ihr Verständnis und ihre Zustimmung. Ihr Mund war klein, gerade und süß unter einer kecken Stupsnase, die, obschon sie sich gelegentlich in echter Zigeunermanier aufblähte, nichts Falkenhaftes oder Strenges an sich hatte. Ihre Ohren liefen leicht spitz zu und zeichneten sich hell unter ihrem welligen Haar ab, das ihr in Locken auf die Schultern fiel.
Sie mochte nicht so wild, redegewandt oder kokett sein wie gewisse Szgany-Mädchen aus Siedeldorf, doch sie war mindestens genauso hübsch wie die anderen. Misha ermangelte es nicht an Feuer, wie Nathan wusste, aber sie verbarg es in sich und ließ es dort brennen. So war er der
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