DÄMONENHASS
gelegentlich Tauschhandel getrieben. Zu Mittsonnauf trafen sie sich in dem trockenen Savannenstreifen zwischen Wüste und Wald und tauschten fein gearbeitetes Eidechsenleder und Heilsalze gegen die Messer, Kurzwaren, Wein, Kürbis und Kneblasch der Szgany ein. Und hier am Rand des alten Lidesci-Gebietes betrieben die Nomaden ihren Handel wie einst, nur dass sie ihre Geschäfte jetzt mit den Aussätzigen tätigten. Nana Kiklu wusste dies ganz sicher, denn weit draußen in der Savanne hatte sie eine hohe, biegsame Stange gesehen, an der ein flatternder Fetzen hing.
Schon als sie als junges Mädchen mit einem kleinen Stamm umhergewandert war, hatte sie solche Zeichen gesehen und wusste, dass der träge im Wind wehende Fetzen den Handelsplatz der Nomaden bezeichnete. Vermutlich, dachte sie, war es ganz gut, dass die Aussätzigen eigenen Handel trieben, und sei es mit den geheimnisvollen Nomaden, die kaum jemand kannte; denn die meisten Szgany kamen gar nicht erst in die Nähe des Aussätzigendorfes. Die Lepra wirkte unter ihnen nicht minder ansteckend als bei den Wamphyri.
Allerdings war die Kolonie von den Szgany Lidesci nicht ganz aufgegeben worden. Im Gegenteil: Lardis’ Vater war es gewesen, der ihren Grundstein gelegt und die ersten Hütten unter den Bäumen am Waldrand erbaut hatte. Und das war so gekommen:
Vor vierundzwanzig Jahren hatte sich ein guter Freund
des älteren Lidesci mit der Krankheit angesteckt. Ehe sich die Symptome zeigten, war die Heimsuchung schon auf sämtliche Mitglieder seiner Familie übergesprungen. Zu jener Zeit, als die Wamphyri noch herrschten, waren die alten Sitten einfach und streng gewesen: Die Kranken wurden aus dem Lager verbannt, um allein umherzustreifen, bis sie starben. Wenn sie zurückzukehren wagten, drohte ihnen ein noch früherer Tod. Von einigen Stämmen wusste man, dass sie Aussätzige gleich an Ort und Stelle töteten. Doch Lardis’ Vater hatte das nicht über sich gebracht und stattdessen am Rand des Szgany-Gebietes die Kolonie der Aussätzigen erbaut, um der Familie seines Freundes Obdach zu geben.
Als andere Aussätzige von dem Ort hörten, waren sie aus der Wildnis von den verschiedensten Stämmen gekommen. So entstand die Kolonie. Und sieben Jahre später, als Siedeldorf aufgebaut war und erblühte, war es ein weiterer Lidesci gewesen, nämlich Lardis, der regelmäßig Vorräte an die Kolonie schickte und so jenen half, die sich zumeist nicht selbst helfen konnten. Obwohl die Szgany Lidesci in jenen frühen Jahren kaum im Überfluss schwammen, fand sich doch immer genug, um etwas davon den Aussätzigen zu geben.
Jetzt hatten die Aussätzigen Gelegenheit, sich dafür zu revanchieren.
Das in etwa ging Nana Kiklu durch den Kopf, als sie im Schatten eines Baumes am Waldrand stand und an die Ereignisse der letzten Nacht dachte. Nicht an die leidvollen Bilder, die Zerstörung ihres Hauses oder daran, dass sie nicht in der Lage gewesen war, zurückzukehren, um nach Nathan und Nestor zu suchen. Der Kummer darüber würde erst nachlassen, wenn sie wieder mit ihren Jungen vereint war. Nein, sie dachte daran, wie sie in der Kolonie der Aussätzigen angekommen war. Sie war vollkommen erschöpft gewesen, denn sie und Misha Zanesti hatten sich darum gekümmert, dass Lissa Lidesci sicher und gesund hier ankam. Die arme Lissa, zerkratzt von Dornen und Gestrüpp und halb außer sich von dem, was sie gesehen und erlebt hatte.
Aber obwohl Nana die körperliche und geistige Stärke aufgebracht hatte, war es doch Lissa gewesen, die zu diesem Ort riet, und Misha hatte das Kunststück fertiggebracht, sie hierher zu führen. Für Misha Zanesti war dieser Wald in ihrer Kindheit ein gewaltiger, prachtvoller Spielplatz gewesen. So hatten alle drei ihren Teil beigetragen, bis der Wald schließlich hinter ihnen lag und sie im Mondschein auf die Savanne hinaustraten.
Auch da hatte Misha noch den Weg gewusst oder ihn erraten. Sie hatte die Sterne betrachtet, ihre Meinung kundgetan, dass sie zu weit nach Westen abgekommen waren, und ihre Gefährtinnen am Rand des weiten Graslands in die andere Richtung geführt. Bis sie schließlich im Schatten riesiger Bäume, die vor der unwirtlichen Wüste wie Wächter in die Höhe ragten, weichen Lampenschimmer erblickt und erkannt hatten, dass es die Kolonie sein musste.
Zu guter Letzt hatten sie einen niedrigen Zaun erreicht. Am Tor stand ein kapuzenverhüllter Wächter, der seine Laterne in die Höhe hielt und mit einem heiseren Raunen die
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