DÄMONENHASS
Identität und seine Absicht verbarg. Derselbe Widersacher, der ihm schon zeitlebens zugesetzt hatte! Nestor erzitterte trotz des starken Sonnenscheins, schlug die Augen auf ...
... und sah zu zwei Männern auf. Der eine war etwa so alt wie er, der andere wesentlich älter, und sie hatten ihn schlafend angetroffen!
Der Widersacher aus seinen Träumen war vergessen. Er sah die Männer, bemerkte, dass sie in ebendiesem Moment einander ansahen und nicht ihn, schloss rasch wieder die Augen und tat so, als schlafe er noch immer. Aber was er gesehen hatte, stand deutlich vor seinem geistigen Auge. Der Jüngere der beiden kniete neben ihm. In seiner verkrampften Faust hielt er ein Messer, dessen scharfe Klinge im Sonnenlicht wie flüssiges Silber schimmerte. Der schlanke, junge Mann hatte die Augen weit aufgerissen und schien furchtbare Angst zu haben. Der andere, ein mürrisch dreinblickender, wettergegerbter Mann in mittleren Jahren, stand aufrecht neben ihm und hielt eine geladene Armbrust in seinen braunen, kräftigen Händen. Er hatte die Stirn gerunzelt und schien leise vor sich hin zu brummen:
»Klaust mir ein Kaninchen aus der Falle, ja, Bursche? Und was machst du überhaupt hier oben? Besonders an diesem Morgen, nach der letzten Nacht ...«
»Kein Vampir«, flüsterte der Kniende und sprach immer noch über die Schulter zu dem Älteren, »sonst läge er nicht hier in der Sonne. Und sieh ihn dir doch nur an, er ist ganz zerschunden und zerkratzt! Vielleicht ist er allein auf der Jagd gewesen und aus den Bergen vertrieben worden? Was meinst du, Vater?«
»Was ich meine?« Die Antwort klang tief und knurrend vor Argwohn und erbarmungslosem Hass. »Oh, ich sage dir, was ich glaube – dass die blutsaugenden Schweinehunde sich ein paar neue Tricks haben einfallen lassen und dass der hier irgendein übler Wamphyri-Zögling ist! Er hat sich noch nicht so weit verändert, dass die Sonne ihm etwas anhaben könnte ... na und? Du hast doch seinen Flieger da oben gesehen, ganz zerlaufen, und die schwarzen Knochen ragen aus der fauligen Schweinerei heraus. Der Zufall ist doch zu groß, dass wir da oben so ein Ding finden und den da weiter unten. So sehe ich das!«
Nestors Flieger? Er fiel ihm wieder ein. Es war eines der wenigen Dinge, an die er sich erinnern konnte. Aber wie hatte der Ältere der beiden ihn genannt, einen Wamphyri-Zögling? Hah! Der Mann hatte keine Ahnung! Denn Nestor war kein elender Knecht, sondern ein Lord! Er war Lord Nestor von den Wamphyri!
Das Wort brannte ihm wie Feuer im Blut – Wamphyri!
Behutsam, ganz vorsichtig machte er sich bereit aufzuspringen. Seine Arme waren bequem auf der Brust verschränkt, ein Knie leicht angewinkelt. So weit, so gut.
»Was machen wir mit ihm?«, wollte der Kniende wissen.
»Zuerst wecken wir ihn auf«, knurrte der andere und fuhr widerwillig fort: »Dann ... sollten wir ihn nach Zwiefurt hinunterschaffen und ihn dort untersuchen. Ich würde nur ungern einen Fehler machen.«
Zu spät!, dachte Nestor. Du hast schon zu viele gemacht.
Er spürte, wie die Hand des Jüngeren ihn oberhalb des Ellbogens packte und schüttelte, und hörte ihn barsch sagen: »Du da, wach auf!«
Danach überschlugen sich die Ereignisse.
Nestors Augen sprangen auf! Er streckte seine Finger aus, und mit einer fetzenden Bewegung schlug er den Messerarm zur Seite. Zugleich wand er seinen Arm aus dem Griff des Jungen. Da ihm plötzlich beide Hände weggerissen wurden, stürzte der Junge nach vorn. Nestor nahm die Gelegenheit wahr, stieß ihm das angewinkelte Knie zwischen die Beine und riss den Kopf hoch, um ihn mit der Stirn mitten ins Gesicht zu treffen.
Lippen, die sich vor Schreck und Entsetzen zu einem Zähnefletschen verzogen hatten, platzten in einem Blutschauer auf; Zähne und Knochen knirschten mit einem Übelkeit erweckenden Laut; der überraschte Aufschrei des Jungen erstarb in einem rotflüssigen Gurgeln, als Nestor nach dem Messer griff. Er entwand es der erschlaffenden Hand des anderen und schnitt sich dabei in die Finger. Doch der durchdringende Schmerz spornte ihn nur weiter an.
Der ältere Mann hüpfte nach links und rechts, versuchte seine Waffe in Anschlag zu bringen und schrie dabei: »Stich ihn ab! Bring den Hurensohn um!« Er hätte gerne geschossen, aber sein Sohn war ihm im Weg, und er konnte nicht erkennen, dass Nestor nun das Messer hatte. Plötzlich hob der Körper seines Sohnes sich gut dreißig Zentimeter über den anderen, auf dem er lag, und begann
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