DÄMONENHASS
einen herben Rückschlag dar, mit dem nicht einmal Wratha gerechnet hatte. Von den sechs Gefährten hatte nur Gorvi Glück gehabt. Oder konnte es sein, dass sein Offizier sich einige der Schlichen seines Meisters zu eigen gemacht hatte? Jedenfalls hatte er überlebt, und nun fehlte Gorvi nur noch ein Krieger.
Doch dafür war das Material schon zur Hand, denn ein Zug benommener Szgany-Knechte stolperte unter einem unwiderstehlichen Zwang aus der Sonnseite über die Felsenebene zum letzten Horst, und noch während sie durch die immer länger werdenden Schatten des Grenzgebirges schlurften, bejammerten sie ihr Schicksal. Der Gerissene hatte keine Zeit verloren. In den Tiefen der Burg brodelten bereits seine Tanks, und verwandeltes, formbares Fleisch bildete sich nach Gorvis Entwurf in neue Gestalten.
Nachdem Canker seine Beute inspiziert, seine Männer ausgewählt und seiner Lust in seinem neuen Harem gefrönt hatte, machte auch er sich bei den Tanks an die Arbeit. Binnen neun oder zehn Sonnuntern würde er über einen Krieger verfügen, der denjenigen, welchen er über der Großen Roten Wüste verloren hatte, weit in den Schatten stellen würde. Und nach dreißig weiteren Sonnuntern konnte er mit einem Wurf kläffender Blutsöhne rechnen, um jene zu ersetzen, die er in Räudenstatt ihrem Schicksal überlassen hatte.
Derart waren die Lords beschäftigt gewesen, als Wrathas große Fledermäuse sie zu ihr riefen. Da sie ohnehin mit der Lady zu sprechen hatten, kam ihnen diese Gelegenheit so zupass wie jede andere.
Gorvi, Wran der Rasende und Spiro Todesblick nahmen den leichten Weg aus ihren frisch bevölkerten Stätten und landeten mit ihren Fliegern in Wrathas weitläufigen Flugbuchten. Canker und Vasagi der Sauger mussten nur einen Bruchteil des Weges zurücklegen und erklommen die aus Stein gehauenen, knorpelverstärkten Innentreppen der Burg. So unterschiedlich ihre Wege auch waren – bei ihrem Eintreffen begrüßten sie Wratha auf die gleiche Weise: mit mürrischen, argwöhnischen und sogar zornigen Blicken und Mienen. Sie hatte es nicht anders erwartet und war vorbereitet.
»Es verläuft also alles einigermaßen gut«, begann sie ohne Umschweife. Sie hatte in den klaffenden Kiefern eines knöchernen Thrones am Kopfende eines langen Tisches im größten ihrer diversen Säle Platz genommen. »Unsere neuen Knechte stellen sich ein, und obgleich ihre Zahl geringer ist als erwartet, ist ihr Blut doch gut, stark und frisch und in jeder Hinsicht der Tributantenausbeute von Turgosheim überlegen. Ich glaube doch, dass wir zumindest darin übereinstimmen.« Ihre Worte machten deutlich, dass sie mit Ärger rechnete.
»Bisher stellst du unwiderlegbare Tatsachen fest«, entgegnete Gorvi sogleich. Seine gurgelnde Stimme klang verschlagen, ölig und anklagend. »Nur ist deine Aufzählung nicht vollständig. Und die unleugbarste Tatsache von allen ist jene, die du nicht erwähnst.«
Die fünf hatten bei ihr Platz genommen: Vasagi und Gorvi saßen auf der einen Seite des Tisches, Canker und die Brüder Todesblick auf der anderen. Wratha hatte ihren Umhang aus Fledermauspelzstreifen angelegt. Sie hatte sich für das Aussehen einer koketten jungen Zigeunerin entschieden: frühreif, aufreizend, stolz auf die Macht, die ihr Geschlecht ihr über die Männer verlieh. Auf diese Weise pflegte sie die Lords von ihren Gedankengängen und Argumenten abzulenken. Aber jetzt erkannte sie, dass dies vielleicht nicht genug war. Die Lords hatten genug Frauen gehabt. Für den Augenblick war ihre Lust gestillt.
Also legte sie sämtliches aufgesetztes Gebaren einstweilen ab, setzte sich auf, machte ein säuerliches Gesicht und stieß einen übertriebenen Seufzer aus. »Also, hier sind wir nun«, sagte sie. »Ganz am Anfang unseres großen Abenteuers, und schon hast du etwas, über das du dich beschwerst, Gorvi. Ich glaube, es wäre besser gewesen, wenn man dich Gorvi den Quengler genannt hätte!«
»Was du denkst, nimmt von Moment zu Moment an Bedeutung ab!«, fauchte Gorvi. Er stand auf, stemmte die Handknöchel auf die Tischplatte, hob die Schultern und reckte den Kopf wie ein großer Aasvogel nach vorn. »Wratha, du bist eine Diebin!«
Sie schien zu erstarren ... vielleicht eine Sekunde lang. Dann hob sie die Hand und schob den Knochenkamm von ihrer Stirn, sodass ihre Augen nicht mehr verschattet waren. Einen Lidschlag später fiel das Abbild echten Lebens von ihr ab, und ihr Fleisch nahm die graue Färbung des Untodes an. Ihre Nase
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