Dämonenherz
der Scherz schien nicht anzukommen. Weller sah so ernst aus, dass Annas Grinsen verschwand. Irgendetwas ging hier vor. Das alles sah zwar aus wie eine schlechte Theaterinszenierung, aber wenn sogar ein Mann wie Weller mitspielte, wäre es vielleicht am besten, wenn sie jetzt einfach mal den Mund hielt.
»Du folgst mir und nimmst alles, was jetzt geschieht, unkommentiert zur Kenntnis.«
»Aye, aye, Sir.«
»Unkommentiert, sagte ich. Lass dich nicht provozieren. Egal von wem.«
»Hm.«
Anna hielt die Lippen fest geschlossen. Das wurde ja noch richtig spannend hier! Eine kleine Scharade am Rand des Balls, wer hätte das gedacht. Ihr Blick fiel auf Vicky. Sie schien die ganze Inszenierung richtig ernst zu nehmen. Starr, ohne das Zeichen der geringsten Gefühlsregung, stand sie im Halbschatten und ließ ihre Chefin nicht aus den Augen. Diese ließ den Fächer sinken. Es wurde so still, dass man eine Feder hätte fallen hören.
»Carl Weller. Imperator in conducta curia. «
Erstauntes Zischeln und Tuscheln begann.
»Was heißt das?«, flüsterte Anna. Aber Weller antwortete nicht. Sein Blick war auf Sandrine gerichtet und so aufmerksam, dass er nichts um sich herum mehr wahrzunehmen schien.
Sandrine neigte den Kopf und schickte Weller ein kokettes Lächeln.
»Oh. Ich vergaß. Natürlich auch der Herrscher von Europa und Pan-Asien.« Sie sah sich um. »Aber nicht mehr lange!«
Das Raunen wurde lauter. Weller stand immer noch neben Anna und sagte kein Wort.
»Tritt in diesen Kreis!«
Plötzlich erlosch das Licht. Dann schwebte, wie von Geisterhand entzündet, ein gewaltiger Kronleuchter mit Aberhunderten Kerzen von der Kuppel des Saals herunter, bis er drei Meter über den Köpfen der Menschen in der Luft hängen blieb. Auf dem Mosaikfußboden leuchtete ein heller Lichtfleck. Sandrine raffte den Rock ihres Kleides und trat noch einmal zwei Schritte vor, direkt hinein in die Lichtinsel. Dort blieb sie stehen. Noch einmal sah sie sich um, ein siegessicheres Lächeln auf den Lippen.
Die Stille und die Erwartung dessen, was nun kommen würde, legten sich schwer auf Annas Schultern. Der Rest des Raumes lag in einem dämmrigen Dunkel. Die Menschen standen so dicht gedrängt, dass sie zu einer Mauer aus Schatten zusammengewachsen schienen. Alle warteten. Schließlich löste sich Wellers Gestalt aus der Finsternis. Er trat in den Kreis.
»SandrineBeaufort. Herrscherin Amerikas. Was willst du von mir?«
Anna hielt den Atem an. Der Boden des Saales schien sich zu bewegen. Das lag nicht an dem vielen Champagner in ihrem Blut. Der Lichtkreis schien zu einem Tableau geworden zu sein, das langsam zu rotieren begann. Das Paar in seiner Mitte blieb unbeweglich stehen. Auch Anna konnte sich keinen Millimeter rühren. Dennoch drehten sich Sandrine und Weller wie ein mechanisches Paar auf einem Karussell.
Ich muss zum Arzt.
Das war doch nicht normal! Wahrnehmungsstörungen, Halluzinationen. Anna schwor sich, nie wieder Champagner zu trinken. Offenbar hatte sie ein Alkoholproblem, von dem sie bisher noch nichts gewusst hatte.
In Sandrines Augen brach sich das Licht des Kronleuchters. Unendlich langsam ließ sie den Fächer sinken.
»Ich, Sandrine Beaufort, will dein Reich.«
»Ich, Carl Weller, verwehre dir diesen Wunsch.«
»Dann fordere ich dich zum Kampf.«
»Mit welchem Recht?«
»Du hast meinen Ghul exekutiert.«
Entsetztes Stimmengemurmel setzte sein. Weller stand da wie aus Stein gemeißelt. Wieder fiel Anna der Vergleich mit einem trojanischen Krieger ein. Doch dieses Mal erinnerte sie sich daran, dass Troja untergegangen war. Stand Wellers Reich jetzt Ähnliches bevor?
»Er wollte meine Amazone töten«, antwortete Weller.
Wieder erhob sich empörtes Tuscheln. Die Anwesenden konnten sich anscheinend nicht entscheiden, auf wessen Seite sie stehen sollten. Offenbar waren beide Anschuldigungen ungeheuerlich.
»Du hast kein Recht auf mein Reich.«
»Oh doch.« Sandrine hob die Hand. »Ich rufe meine Sekundantin.«
Vicky löste sich aus dem Schatten und trat ins Licht. Sie stellte sichhinter Sandrine, und das gelang ihr bemerkenswerterweise, ohne auf die Schleppe zu treten. Nun standen alle drei und warteten. Nichts geschah. Weller holte tief Luft.
»Ich rufe meine Amazone.«
Eine ganz leise, kaum spürbare Unruhe breitete sich aus. Anna starrte immer noch wie gebannt auf das Schauspiel vor ihren Augen. Die Duellanten schienen leicht über der Erde zu schweben. Alles wirkte wie die dreidimensionale Spiegelung
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