Dämonenherz
Kein eiskalter Engel – eher das Gegenteil. Etwas Bedrohliches, fast Teuflisches ging von ihm aus. Seine Augen glühten, und er sah sie an, als wolle er sie mit nichts als der Kraft seiner Gedanken ungespitzt in den Erdboden rammen. Eine Mischung aus Ratlosigkeit und nur mühsam zurückgehaltener Rage, die sie fasziniert beobachtete.
»Bitte … was?«
Offenbar war sie in die Hände eines Psychopathen geraten. Eben noch hatte er sie mit seiner Leidenschaft beinahe überwältigt, jetzt schien er so entsetzt von dem, was geschehen war, dass er allein Anna die Schuld zuschob.
»Die Guillotine! Willst du mich umbringen? Wie machst du das? Wer bist du?«
Vorsichtig, ganz vorsichtig tastete Anna nach dem Türknauf hinter ihrem Rücken. Weller war verrückt. Eindeutig. Verführerisch, aber leider nicht normal. Hatte er sie bis jetzt noch mit leicht geneigtem Kopf angesehen, hob er ihn nun und straffte seinen Körper, als würde er zum Sprung ansetzen.
»Wer hat dich geschickt?«
Vorsichtig drehte sich Anna zur Tür, doch sie war nicht schnell genug. Ihre zitternden Hände bekamen den Knauf nicht zu fas sen, und noch bevor sie sie aufreißen und sich in Sicherheit bringen konnte, war er schon bei ihr. Seine Hand fuhr in ihren Na cken, und sie spürte einen scharfen Schmerz. Sie schrie auf, doch Weller hielt sie fest und zerrte sie hinüber ins Schlafzimmer. Dort warf er sie aufs Bett, blieb aber, statt sich auf sie zu stürzen, davor stehen. Sein Brustkorb hob und senkte sich. Seine Haut war glatt und makellos, sein Körper der eines durchtrainierten Zehnkämpfers. Von seinem Nabel zog sich ein schmaler, dunkler Haarflaum abwärts. Der Mantel stand offen, doch Anna wagte nicht, ihren Blick auch nur einen Millimeter weiter unter seine Gürtellinie zu senken. Alles an ihm war flammender Zorn, gepaart mit wilder Verführung.
»Ichfrage dich nicht noch einmal. Wer hat dich geschickt?«
»Niemand! Was soll das?«
»Wer hat dir das beigebracht?«
»Was?«
Weller beugte sich über sie und stützte sich dabei mit einer Hand auf dem Bett ab. Wieder nahm sie seinen Duft wahr, und ob sie wollte oder nicht, er wirkte wie eine Droge. Die Angst vor ihm verschwand. Er war ihr so nah. Seine Männlichkeit verwirrte sie. Noch nie hatte ein Mann von seinem Format sie auch nur eines Blickes gewürdigt. Und noch nie, das musste sie sich ebenfalls eingestehen, hatte sie so jemanden für sich in Erwägung gezogen. Ein Mann hatte höflich, zuvorkommend, ehrlich und aufrichtig zu sein. Und nicht völlig durchgeknallt. Im Halbdunkel erkannte sie das Relief seiner Bauchmuskeln, und plötzlich spürte sie eine unbändige Lust, die Hand zu heben und darüber zu streichen. Und sie tiefer gleiten zu lassen …
»Du verbirgst deine Gedanken vor mir.«
Er war ihr gefährlich nahe. Vorsichtig versuchte sie, ein Stück von ihm wegzurobben. Doch schon hatte er beide Arme rechts und links von ihren Schultern aufgestützt. Sie saß in der Falle.
»Tun wir das nicht alle?«
»Antworte nicht mit einer Gegenfrage. Also? Wer hat dich geschickt?«
»Niemand.Egal, wie oft Sie fragen. Die Antwort wird immer die gleiche sein.«
»Lüg mich nicht an. Irgendjemand hat dir diesen Mist doch beigebracht. Du setzt Barrieren.«
»Barrieren?«
Er nahm einen Arm weg und glitt neben sie aufs Bett. Entweder war ihm die Erotik seiner Handlungen überhaupt nicht bewusst, oder er hatte in diesem Moment entschieden, sie als netten Kumpel zu betrachten. »Tore. Dieses Gartentor. Wo nimmst du das her?«
Es war wirklich unendlich schade. Offenbar hatte Vicky recht. Alle Männer, die auch nur ein bisschen mehr als höflich, zuvorkommend, ehrlich und aufrichtig waren, waren nicht ganz normal. Sie hatte an ein Tor gedacht, und offenbar musste ihr im Eifer des Gefechts etwas herausgerutscht sein. Aber dass er ihr deshalb gleich eine Szene machte?
»Das ist das Tor zum Garten von meinem Elternhaus.«
»Und die Guillotine? Der Vulkan? Woher hattest du den?«
»Moment.«
Sie erinnerte sich an den Augenblick im Café, als Weller sie zum ersten Mal berührt hatte.
Er kann Gedanken lesen.
»Du kannst Gedanken lesen!«
»Und du baust Barrieren!«
»Das ist doch …«
Der reinste Irrsinn. Das musste sie sich nicht länger antun. Sie wollte aufstehen, und da sah sie es. Den endgültigen Beweis, dass sie hier vermutlich neben einem geistesgestörten Serienkiller lag. Die gesamte Spiegelfront des Schrankes war mit Betttüchern verhängt.
»Was bedeutet das?«
Wellerwar
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