Dämonenherz
See, auf dem sich einige letzte Segelbote gegen die stürmischen Windböen stemmten.
»Der Zürichsee«, erläuterte der Fahrer, der ihren neugierigen Blick bemerkt hatte. »Sind Sie zum ersten Mal in der Schweiz?«
Anna nickte.
»Dann müssen Sie zu Lindt & Sprüngli in der Bahnhofstraße. Schokolade essen. Und in die Kronen-Bar, dort gibt es das beste Käsefondue.«
Sie hatte ein Sandwich im Flugzeug verschlungen, aber es hatte nur gereicht, um den ersten Hunger zu befriedigen.
»Hat das Hotel denn auch ein Restaurant?«
»Das Baur au Lac? Eines der besten des Landes.«
»Oh.«
Also vielleicht doch nichts für ihre Kreditkarte.
Die Häuser wurden mondäner. Der See verschwand aus ihrem Blick. Wenig später hielt das Auto vor einem gewaltigen schmiedeeisernen Tor, das sich wie von Zauberhand langsam öffnete. Hinter meterhohen Buchsbaumhecken öffnete sich ein großer Park, angelegt nach Vorbildern der Jahrhundertwende. Aus gewaltigen Amphoren quollen üppig blühende Grünpflanzen. Die kiesbestreute Einfahrt war gesäumt von Palmen, die in großen Kübeln hintereinander aufgereiht waren und mehr an die Riviera erinnerten als an gediegene Schweizer Wetterverhältnisse. Der Anblick des Hauses, auf das sie zuhielten, verschlug Anna den Atem.
Das Jugendstilgebäude strahlte Wohlstand aus. Es war riesig und stand auf einer kleinen Anhöhe. Rechts lag das Ufer des Sees. Links breitete sich eine große Terrasse aus, auf der zierliche Eisenstühle und weißgedeckte Tische standen. Allerdings warsie leer, und als Anna aus dem Taxi stieg und sofort fröstelte, wusste sie auch, warum. Ein Page in weinroter Uniform mit goldenen Litzen eilte beflissen auf sie zu. Anna suchte ihr Portemonnaie.
»Das ist bereits erledigt.« Dennoch wartete der Taxifahrer neben dem Wagen.
Anna suchte einen Fünf-Euro-Schein heraus und drückte ihn dem Mann in die Hand, der sich sichtlich enttäuscht wieder hinter das Steuer klemmte. Offenbar herrschten in der Schweiz andere Gepflogenheiten im Bezug auf Trinkgeld. Dafür lächelte sie der Page umso freundlicher an und wies ihr den Weg ins Haus.
Die geschwungene Sandsteintreppe war mit einem ähnlichen roten Teppich belegt wie das Kurpark-Hotel. Dennoch erschien ihr dieses Haus nicht nur im architektonischen Sinn mindestens drei Nummern größer. Die Eingangshalle wartete mit gewaltigen Blumengestecken auf, die in mannshohen chinesischen Vasen dem Gast den Weg zur Rezeption wiesen. Riesige Ölgemälde hingen an den Wänden, in der Lobby gruppierten sich kleine Sessel um niedrige Lacktische. Die Sonne wurde durch dicke Samtstores beinahe vollständig ausgesperrt, dafür verbreiteten geschickt plazierte Lampen ein sanftes indirektes Licht.
Der Portier begrüßte sie mit einem höflichen Lächeln. Anna nannte ihren Namen. Sie hatte kaum Zeit, den beeindruckenden Stuck an der Decke zu bewundern, da hatte er ihre Reservierung auch schon gefunden.
Er schob ihr das Anmeldeformular hin. Anna füllte es aus. Unter »Grund des Aufenthalts« setzte sie »geschäftlich«. Allein der Kugelschreiber des Hotels war schon ein Grund, zur Kleptomanin zu werden. Vielleicht könnte sie Vicky ja ein Handtuch …
»Bitte sehr, gnädige Frau. Zimmer 203 im zweiten Stock. Das Turmzimmer mit direktem Seeblick.«
Der Portier reichte ihr eine Plastikkarte, aber Anna schüttelte den Kopf.
»Ich will einen Schlüssel.«
»Wirbedauern unendlich, gnädige Frau. Aber alle unsere Zimmer sind zu Ihrer eigenen Sicherheit mit diesen Magnetstreifen-Karten ausgestattet.«
»Ich will keine Karte. Ich will einen Schlüssel.«
»Das wird leider nicht möglich sein.«
Anna nahm den Aktenkoffer, den sie neben sich auf den Tresen gelegt hatte. Ein tiefes Misstrauen hatte sie erfasst. Magnetkarten bedeuteten, dass jedes Kommen und Gehen registriert wurde. Bisher hatte sie sich nur deshalb keinen einzigen Gedanken darüber gemacht, weil sie nicht in Hotels übernachtete. Aber irgendetwas in ihr warnte sie. Trau nur den Dingen, die du auch beherrschen kannst. Einen Schlüssel im Schloss drehen, beispielsweise.
»Dann sehe ich mich gezwungen, in ein anderes Hotel zu gehen. Wenn Sie mir bitte ein Taxi rufen könnten?«
Dem Portier waren derartige Extrawünsche wohl noch nicht untergekommen. Er runzelte die Stirn und betrachtete seinen Computer.
»Einen Moment, bitte. Vielleicht haben wir etwas für Sie.«
Er öffnete eine Schublade unterhalb der Tischplatte und wühlte darin herum. »Die Redoute, unser Gartenhaus.«
Er
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