Dämonenherz
Messingschild mit der Aufschrift »Rezeption«. Ein breiter Flur mit holzvertäfelten Wänden endete in der Lobby. Mit schnellen Schritten eilte sie an den Sitzgruppen vorbei zum Ausgang. Niemand folgte ihr. Sie lief die Auffahrt hinunter bis zu dem schmiedeeisernen Tor. Dahinter standen einige Taxen und warteten auf Kundschaft. Sie ging auf den ersten Wagen zu und setzte sich in den Fond.
»ZurBahnhofstraße.«
Anna kannte Zürich nicht. Aber die Bahnhofstraßen aller Städte glichen sich zumindest in einem Punkt: Es gab Restaurants, Geschäfte und Hotels. Der Fahrer nickte kurz und startete den Motor. Bevor sie um die nächste Ecke bogen, sah Anna sich noch einmal um. In diesem Moment stürmte der Unbekannte aus dem Tor. Er musste die Auffahrt hinuntergerannt sein, denn er stoppte schwer atmend seinen Schritt und sah sich nach allen Seiten um. Bevor er das Taxi entdecken konnte, waren sie außer Sichtweite.
Anna lehnte sich in das Polster zurück. Wahrscheinlich hatte sie diesen Auftrag auch noch vermasselt. Wie sollten Wellers Geschäftspartner sie jetzt finden? Während die noblen Vororte Zürichs an ihrem Fenster vorüberglitten, erwog sie, Weller anzurufen. Die Nummer seiner Zentrale hatte sie in ihrem Handy gespeichert. Wie sie ihm ihren plötzlichen Ortswechsel erklären sollte, war ihr schleierhaft.
Ich sehe Gespenster, dachte sie. Offenbar nicht zum ersten Mal.
Der Wagen überquerte einen Fluss und geriet in einen kleinen Verkehrsstau am Ende der Brücke. Es ging nur noch schrittweise voran. Ihr Telefon klingelte. In der Hast, den Anruf so schnell wie möglich entgegenzunehmen, fiel der Apparat in den Fußraum und rutschte unter den Vordersitz. Bis Anna ihn gefunden hatte, hatte der Anrufer aufgelegt. Die Nummer, unter der er sich gemeldet hatte, begann mit 0041. Die Schweizer Vorwahl. Das war vermutlich ihre Kontaktperson, die sich wunderte, warum Anna nicht zur vereinbarten Zeit am vereinbarten Ort war. Anna drückte die Rückruftaste. Sofort wurde abgenommen.
»Frau Sternberg?«
Eine Frau mit leicht asiatischer Sprachfärbung.
»Ja?«
»Wir erwarten Sie in einer halben Stunde im Goldenen Drachen. Das Lokal befindet sich in der Limmatgasse. Bitte seien Sie pünktlich. Der Mandarin wartet nicht gern.«
Sielegte auf.
Anna atmete tief durch und beugte sich dann zum Fahrer vor.
»Wo ist die Limmatgasse? Ist das weit von der Bahnhofstraße?«
Der Fahrer schüttelte den Kopf. »Ganz in der Nähe. Soll ich Sie dort absetzen?«
»Das wäre nett.«
Anna atmete auf. Gleich würde sie zum ersten Mal einem von Wellers Geschäftspartnern gegenüberstehen. Sie würde die Dokumente übergeben und dann versuchen, eine letzte Maschine nach Frankfurt zu erreichen. Auftrag ausgeführt, Land verlassen. Anna, die Superheldin …
Die Häuser wurden größer, die Geschäfte eleganter. Anna erkannte die Namen der luxuriösesten Designer und Innenausstatter. Dazwischen schoben sich immer wieder die respektgebietenden Fassaden der Bankhäuser. Sie waren schon mitten im Zentrum. Zürich schien eine überschaubare Stadt zu sein. Das war gut. Aus kleinen Städten kam man schnell heraus.
Weller erreichte London-Luton eine gute Stunde später. Der Flug über den Ärmelkanal war ruhig verlaufen, seine Beschwerden hatten sich gelegt. Dennoch war es höchste Zeit, dass er den máster aufsuchte. Wenn er Sandrines Fehdehandschuh aufheben wollte, musste er in bester Verfassung sein.
Von Luton aus stiegen sie wieder um in einen Hubschrauber. Jean-Baptiste versuchte Haltung zu bewahren, aber Weller wusste, dass sein Diener große Probleme hatte. Diskret reichte er ihm eine Spucktüte, die Jean-Baptiste mit einem dankbaren Kopfnicken nahm und griffbereit in seiner Nähe hielt.
Weller verzichtete darauf, selbst das Steuer zu übernehmen. Ein britischer Pilot checkte gerade zum letzten Mal die Instrumente und stimmte sich mit dem Tower ab. Er wartete, bis seine beiden Gäste Platz genommen, sich angeschnallt und die Kopfhörer aufgesetzt hatten. Dann brüllte der Motor auf, die Rotoren drehten sich, und langsam stieg der Hubschrauber in die Höhe.Jean-Baptiste griff nach seiner Tüte und wandte sich von seinem Herrn ab, damit dieser nicht Zeuge seiner erbarmungswürdigen Schwäche würde.
Zwanzig Minuten und zwei Tüten später erreichten sie den Landeplatz von Wellers Bürogebäude. Es befand sich im modernisierten Hafen direkt an der Themse. Der unschlagbare Vorteil dieses Standorts war der Zugang zum Wasser. Mit dem
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