Dämonenherz
landläufigen Sinne sehr attraktiv war. Kurze blonde Haare, eine athletische Figur, der Anzug passte wie angegossen. Würde sie abends in einem der angesehenen Restaurants in Sachsenhausen mit ihm auftauchen, wäre Sam ein Begleiter, dem sämtliche weiblichen Gäste hinterherschmachten würden. Doch seine blauen Augen standen eine Winzigkeit zu eng in seinem Gesicht, und dasLächeln, das er Anna schenkte, wirkte nicht hundertprozentig echt. Er machte eine weit ausholende Armbewegung und präsentierte Anna damit den Raum.
»Das ist der Tresor. Das Herz des Imperiums. Hier bewahren wir alles auf, was für den Fortbestand unseres Hauses überlebenswichtig ist. Dokumente, Erfindungen, Wertpapiere, Obligationen, Gold.«
»Gold?«
Sams Lächeln vertiefte sich, was ihn für Anna nicht unbedingt sympathischer machte.
»Aber sicher. Wir sind in allem den Entwicklungen einen Schritt voraus. Und das bedeutet, dass wir unseren eigenen Wirtschaftskreislauf in Gang halten. Nicht mit Aktien und Konten, das sind ja nur Zahlen auf Papier. Sondern mit dem echten Wert unseres gesamten Konsortiums in Gold.«
»Und wie viel ist das?«
Neugierig sah sie sich um. Jetzt bekam der Tresor natürlich eine ganz andere Bedeutung.
»Ungefähr das Dreifache dessen, was in Fort Knox gelagert ist.«
Anna versuchte, sich ihre Überraschung nicht anmerken zu lassen. In Fort Knox lagen die gesamten Goldreserven der Vereinigten Staaten. Wenn hier drei Mal so viel gebunkert war, konnte Weller theoretisch die ganze Welt kaufen.
Das hat er wahrscheinlich schon getan, dachte sie. Zumindest benimmt er sich so.
Sam ging drei Schritte voraus. Er wartete, bis sie neben ihm war, und deutete auf die Zugänge zu den Tresorräumen.
»Natürlich hat nicht jeder die Befugnis, da hineinzukommen. Allerdings dachte ich, dass Sie als Herrn Wellers persönliche Assistentin eigentlich einen anderen Ausweis bekommen hätten.«
»Wie meinen Sie das?«
Die Art, wie Sam ihren neuen Job ausgesprochen hatte, gefiel ihr nicht. Er drehte sich zu ihr um und verzog den Mund.
»DieStelle wurde lange nicht besetzt. Wahrscheinlich hat sich einiges geändert.«
»Was denn zum Beispiel? Müsste ich Zugang zu allen Abteilungen des Hauses haben?«
»Eigentlich ja. Aber das wird Herr Weller bestimmt noch persönlich mit Ihnen klären.«
Oder ich mit ihm, dachte Anna, als sie auf einen anderen Tresen zutraten und Sam seinen Ausweis zückte. Sie beobachtete, wie er ihn durch den Scanner zog und er problemlos das Drehkreuz passierte.
»Und jetzt Sie.«
Anna machte es ihm nach und erwartete, dass auf der Stelle wieder zwei Wachleute auftauchen würden. Doch dann leuchtete ein winziger grüner Punkt neben dem Scanner auf, und sie konnte ungehindert passieren.
»Und hier darf ich rein?«
Es ärgerte sie, dass Weller ihr den Zutritt zu den Goldkellern verwehrte, zu den Dokumenten aber gestattete. Wahrscheinlich musste sie erst auf Herz und Nieren geprüft werden, damit sie mit Goldbarren nicht genauso gedankenlos umging wie mit Äpfeln in Hotelsuiten. Obwohl Anna den Unterschied zwischen beidem sehr gut kannte.
Sam schien ihr die Verstimmung anzusehen. Er versuchte, seiner Stimme einen aufmunternden Klang zu geben, der in Annas Ohren aber ins Unaufrichtige abrutschte.
»Machen Sie sich keine Gedanken. Diese Abteilung ist sogar noch wichtiger als Gold. Sehen Sie?«
Von der gut fünf Meter hohen Stahlröhre zweigten Gänge ab. Gewaltige Regale, die nur mit Hilfe großer Räder bewegt werden konnten, reichten bis unter die Decke. Auch hier waren viele Leute unterwegs, die eilig und konzentriert die Regale bewegten und absuchten. Die Dokumente wurden in Stahlkassetten verwahrt. Wer eine solche Kassette bei sich trug, ging zu der gewaltigen Tresorwand und zeigte erneut seinen Hausausweis. Danach musste der Betreffende in eine Kabine.
»Dortwerden die körperlichen Merkmale erfasst«, erklärte Sam. »Und zwar die, die Sie beim Betreten des Gebäudes hatten. Iris, Fingerabdrücke, Gewicht, Größe, Taillenumfang.«
Beim letzten Wort senkte er seinen Blick auf Annas Bauch.
»Und wenn ich zwischendurch was gegessen habe?«
»Das wird alles berücksichtigt, sofern das im Haus passiert ist. Oh.«
Er blieb stehen und musterte Anna mit einem besorgten Blick. »Haben Sie denn Ihren Arbeitsvertrag noch nicht durchgelesen?«
Anna wollte ihm nicht auf die Nase binden, dass sie gar keinen hatte.
»Ich bin noch nicht dazu gekommen.«
»Dann sollten Sie das tun. Damit erübrigen sich
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