Daemonenherz
mit einer tiefen Stimme, schlenderte auf mich zu und streckte er mir seine Pranke entgegen. «Du bist also die, von der alle sprechen. Kleine Berühmtheit hier, sag ich dir.»
Er überragte mich um mindestens zwei Köpfe und leicht eingeschüchtert ließ ich mir von ihm die Hand schütteln.
«Also», meinte er, legte einen Arm um meine Schulter und drückte. «Werde die Kleine schon sicher nach Ygdrasil bringen.»
Er zog mich mit sich.
Während wir uns an Raciel vorbei drängten, warf er ihm einen verachtenden Blick zu.
Mir egal. Raciels Geruch umgab mich. Die Tränen kamen wieder und ich war froh, flatterten Liliths Eulen so hastig an uns vorbei, dass Raciel zu abgelenkt war, mich genauer zu sehen.
«Wer lebt alles in diesem riesigen Ding», fragte ich zaghaft, als mich Neo durch die Gänge zurück zum Scherbenplatz brachte. Lilith antwortete. «Die engen Vertrauten von Lucifel. Dämonen des zweiten und dritten Grades.»
«Und was macht ihr so den ganzen Tag?»
Neo nickte. «Chef sein, wenn du so willst. Belial befehligt die 666 Armeen Lucifels.»
«Das ist ne Menge», konstatierte ich.
«Kommt drauf an wie groß ne Armee ist», grinste er zurück und klopfte mir am Treppenabsatz so kräftig auf die Schulter, dass ich glaubte, es knacken zu hören.
«Lilith untersteht die ganze Abteilung der
Tracker
und
Hunter
», fügte er hinzu und wies auf ihre hohe Gestalt.
Sie lächelte mich an.
«Und du?»
Neo grinste. «Ich bin einer der Wächter der Verdammten. Gefängniswärter, wenn du so willst.»
Ich nickte. «Wo sind all diese Verdammten? Da müssten doch in den letzten Jahrtausenden einige zusammen gekommen sein.»
Er lachte. «Erklär ich dir in der Kutsche. Hast du das Fliegen schon im Griff?»
Ich bewegte meine Flügel eher zögerlich, was für ihn Zeichen genug dafür war, dass ich keine Ahnung davon hatte. Also packte er mich, hob mich auf die Arme und schwebte zur Kutsche. Im Unterschied zu den anderen Dämonen, die ich bisher näher kennen gelernt hatte, kam er ganz ohne Flügel aus.
Auf dem Weg zurück zum Vulkan erklärte er mir in allen Einzelheiten das System.
Dass früher die Verdammten über weitaus mehr Mut verfügt hatten, als die Neuen der letzten Jahrhunderte. Die früheren Seelen hätten es bis zum Palast in Tartaros geschafft, oftmals nach hunderten von Versuchen, und so eine Reinkarnation erreicht. Viele waren wieder hier gelandet, aber versuchten es immer wieder.
«Nichts gegen die Menschen deiner Zeit Irial, aber grundsätzlich sind das alles Schlappschwänze und Feiglinge. Wirklich. Keine Ehre mehr. Keinen Stolz. Und sie versauern lieber in der Hölle, als dass sie die Mühen und Schmerzen auf sich nehmen, eine Wiedergeburt zu erreichen.»
Ich kam zum Schluss, dass ich vermutlich ein ähnlicher Feigling wäre. Nur schon beim Gedanken an die Scherben in den Füssen schauderte mir. Ganz zu schweigen vom Weg nach Tartaros. Ich würde schon hundert Versuche brauchen, überhaupt bis hierher zu kommen. Neo schien das zu erraten und lachte laut. Lilith zwinkerte mir zu.
«Der erste Schritt ist meistens der Schlimmste und er erscheint einem wie eine Weltreise. Aber ist der erste Schritt getan, geht es leichter. Überwindung ist alles.»
Wir schwiegen den Rest des Weges. Als mich die beiden zurück zum Plateau von Ygdrasil brachten, johlte die halbe Dämonenschar. Ich ging davon aus, dass meine Kleidung ein wesentlicher Grund dafür war.
Geduldig ließ ich mich anketten. Hier würde ich wieder sitzen. Und heulen. Und wieder Zeit genug haben, mich über mein Schicksal zu grämen.
Raciel ging mir jetzt erst recht nicht mehr aus dem Kopf. Nicht, nachdem ich gesehen hatte, wie er als Dämon aussah. Sein Blick hatte sich genauso in meinem inneren Auge festgebrannt. Die Kälte. Der Hass, der sich darin widerspiegelte. Die letzten paar Wochen mussten grässlich gewesen sein für ihn. Erneut stiegen mir Tränen in die Augen.
«Ich werde mit Lucifel reden», meinte Lilith und ich hob den Kopf.
Ich sah Mitleid in ihren Augen, als sie meine Tränen sah. «Es ist nicht richtig, euch hier fest zu ketten. Wer weiß, wie lange wir noch auf den letzten Pfeiler warten müssen.»
Ich schüttelte den Kopf. «Bring dich nicht in Schwierigkeiten für mich.»
«Schwierigkeiten? Lilith? Die kriegt nie Schwierigkeiten», beschwichtigte Neo und klopfte mir noch die andere Schulter. «Üb du ein bisschen mit deinen Federchen hier», fügte er hinzu und strich darüber. Es kribbelte in meinem ganzen
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