Dämonenkind 01 - Kind der Magie.pdf
begrüßen.«
»Wahrscheinlich unterzeichnet die Erste Schwester in diesem Augenblick das Urteil, das Euch an den Galgen bringt.« Der Oberste Reichshüter drehte sich Garet Warner zu. »Werft den Verbrecher in den Karzer«, befahl Jenga dem Obristen. »Aber zuvor durchsucht ihn.«
»Ich habe ihn schon durchsucht, Hochmeister«, mischte sich Draco ein.
»Durchsucht ihn nochmals«, sagte Jenga zu Warner. Diese Hartnäckigkeit des Hochmeisters erstaunte R'shiel. Anscheinend freute es den Obersten Reichshüter nicht sonderlich, dass es Draco war, der Tarja in der Zitadelle ablieferte.
»Zu Befehl, Hochmeister«, antwortete der Obrist, indem er Haltung annahm. Auf seinen knappen Wink traten mehrere Hüter vor, aber statt auf sie zu warten, stapfte Tarja an dem Hochmeister und an Obrist Warner vorüber auf den Eingang des Schwester-Francil-Saals zu. Bevor er den Saal betrat, wandte er sich um und spottete der zusammengelaufenen Menschenmenge, indem er sich vor ihr verneigte. Danach verschwand er in den Schatten.
Während R'shiel ihm nachblickte, gewann sie die Einsicht, dass es ohne jeden Belang blieb, ob sie Frohinia zur Rede stellte oder es unterließ. Sechs Wochen stumm erklügelter Vorhaltungen hatten mit einem Mal keine Bedeutung mehr. Ihr Groll entbehrte jeder Bewandtnis. Die Kraft, die es kostete, ihn zu nähren, konnte für sinnvollere Zwecke genutzt werden. Das seltsame Kind, dem sie am Ufer des Gläsernen Flusses begegnet war, hatte Recht gehabt. Längst war es allerhöchste Zeit geworden, um neue Wege zu gehen. Sie hatte Wichtigeres zu tun.
Und an erster Stelle stand die Herausforderung, geeignete Mittel zu Tarjas Befreiung zu finden.
25
Schmerz war, SO hatte Tarjanian entdeckt, ein weit reichendes Wissensgebiet. Er hatte sich in diesem Bereich fast schon zum Sachkundigen entwickelt. Im Lauf der vergangenen paar Tage war ihm wahrlich genügend Gelegenheit gegeben worden, um in dieser Beziehung Erfahrungen zu sammeln. Zu erleben, wie viel der menschliche Körper an Beschwerden verkraften, welches Maß an Leid ein Mensch erdulden konnte, bevor segensreiche Bewusstlosigkeit ihn in das Dunkel entgleiten ließ, in dem er keine Schmerzen mehr spürte. Allerdings verhielt es sich zu seinem Bedauern so, dass er stets wieder erwachte und dann der Schmerz erneut da war, bereits auf ihn lauerte.
Er hatte damit aufgehört, seine Verletzungen zu zählen. An beiden Händen waren die Finger gebrochen, Verbrennungen zernarbten seine Unterarme. Mehrere Zähne waren locker, und er hatte dermaßen viele Blutergüsse, dass er so schwarz wie ein Schornsteinfeger aussah. Die rechte Schulter fühlte sich an, als wäre sie ausgekugelt, an den Fußsohlen hatte er nässende Blasen. Keine Pore, kein Haar schien frei von Schmerz zu sein, wenn er sich rührte.
Weil es in der Zelle kalt war, schlotterte er unablässig, und sogar diese geringfügigen Regungen verursachten ihm regelrechte Qual.
Ungeachtet all der Martern jedoch befand sich Tarjanian in überraschend gehobener Gemütsverfassung. Vielleicht lag es an der schnöden Einfallslosigkeit der Folterungen, denen seine Befrager ihn unterwarfen, dass er so guter Dinge blieb. Unter Umständen ließ es sich darauf zurückführen, dass er sich kein Sterbenswörtchen über die Rebellion hatte abpressen lassen. Er hatte nichts preisgegeben, niemanden verraten. Der Hauptgrund war wohl, vermutete Tarjanian, sein Wissen, dass die Anweisung, ihn der Tortur zu unterziehen, von Frohinia selbst stammte. Es rechtfertigte nachträglich alles, was er getan hatte.
Mit äußerster Behutsamkeit wälzte er sich auf der niedrigen Pritsche herum, die ihm als Bettstatt diente, und lauschte auf die nächtlichen Geräusche, während er sich fragte, wie lang es wohl noch dauern mochte, bis Frohinia ihn aufknüpfen ließ. Selbstverständlich würde man vorher eine Gerichtsverhandlung veranstalten, eine alberne Posse, um die Förmlichkeit zu wahren, aber am Ende erwartete ihn unzweifelhaft der Galgen. Auf absonderliche Weise flößte diese Vorstellung ihm innere Ruhe ein. Es tröstete ihn, dass Mandah, Padric, Ghari und die restlichen Rebellen, sobald sie die Neuigkeit seiner Hinrichtung erführen, endlich einsehen mussten, dass Draco gelogen hatte. Tarjanian wusste, dass die anderen Gefangenen noch in Testra hatten entweichen können. Während der Schiffsreise flussaufwärts hatte er es von Nheal gehört.
Eines allerdings bedauerte er: Es wurmte ihn, dass er keine Gelegenheit mehr haben sollte,
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