Dämonenkind 01 - Kind der Magie.pdf
Folge, dass er den Mann offen anstarrte. Dem Hauptmann entfuhr ein Ächzer, als er Tarjanian erkannte.
»Wachen!«, brüllte Loclon hinüber zum Torgebäude.
»O verflixt!«, schimpfte R'shiel und gab dem Pferd die Sporen. Ohne das geringste Zaudern fielen die Männer in den Galopp ein. Loclon rannte ihnen nach und schrie unterdessen pausenlos hinüber zu den Torwachen, die gegenwärtig einen Zank mit einem stämmigen Karrenfahrer austrugen. Ein großer Ochsenkarren versperrte die Durchfahrt, und der Lenker beharrte auf Einlass. Über die Schulter schaute sich Tarjanian nach Loclon um. Obwohl er zu Fuß war, hatte der Hauptmann sie beinahe eingeholt. Der Zwischenraum, den Ochsenkarren und Torgebäude dem übrigen Verkehr ließen, gestattete Reitern keine Schnelligkeit.
Endlich erregte Loclons Gezeter die Beachtung des befehlshabenden Torwächters; er hob den Blick, und seine Verwirrung wich der Bestürzung, sobald auch er sah, wen er vor sich hatte.
Davydd Schneider jagte sein Pferd an Tarjanians Seite und zog blank. »Nun gibt's nur noch einen Weg!«
Tarjanian nickte und zückte ebenfalls das Schwert. Sein Blick suchte R'shiel, die vor aussprengte und anscheinend alle Bereitschaft hatte, jeden niederzureiten, der so töricht war, sich ihr in den Weg zu stellen. Ob sie bewaffnet war, wusste er nicht, aber ohne jeden Zweifel konnte sie den Hütern unmöglich gewachsen sein, auch nicht zu Ross.
Währenddessen stürmten von allen Seiten Rotröcke herbei. Um den Ochsenkarren scherten sie sich freilich nicht mehr. Tarjanian verlor R'shiel, weil er nun ums eigene Überleben ringen musste, aus den Augen. In weitem Bogen schwang er die Waffe, während er das Pferd vorwärts drängte, und etliche Hüter schraken vor der mörderischen Klinge zurück. Er hörte einen Aufschrei, und als er den Kopf wandte, sah er Davydd Schneider, dem ein Pfeil aus der Brust ragte, aus dem Sattel fallen.
Verzweifelt blickte Tarjanian nach oben und bemerkte auf dem Wehrgang der Mauer reihenweise Bogenschützen, die ihre Pfeile auf sie anlegten. Mit Erleichterung gewahrte er, dass auch R'shiel die Schützen gesehen hatte und zum Zeichen der Aufgabe die Hände gen Himmel streckte. Unverzüglich zerrte man sie vom Pferd. Der blutjunge Hüter war im Sattel zusammengesunken, ein Pfeil hatte seinen Hals durchbohrt.
»Werft die Waffe fort«, rief eine Stimme vom Wehrgang herab. Tarjanian erkannte, dass die Pfeile geradewegs auf sein Herz zielten, und fand sich damit ab, dass eine Weigerung den Tod bedeuten müsste. Einen flüchtigen Augenblick lang verlockte ihn dieser Ausweg. Aber auch R'shiel wäre der Tod sicher. Also schleuderte er das Schwert aufs Pflaster und leistete, als die Hüter ihn festnahmen, keinerlei Gegenwehr.
28
Frohinia wartete im Kabinett der Ersten Schwester. Um sich versammelt hatte sie Jacomina, Meister Draco, Luhina Farcron, die Frohinias Nachfolgerin als General-Verwalterin geworden war, Francil, Hochmeister Jenga sowie zwei R'shiel unbekannte Hüter, die zwischen sich ein junges Weib beaufsichtigten. Zu ihrer Überraschung sah R'shiel die Court'esa aus dem Blauen Bullen , die mit Davydd Schneider geschäkert hatte. Harith hatte R'shiel zu dem Kabinett geführt, die beiden Hüter, die sie bewachten, mussten vor der Tür bleiben.
Die Erste Schwester würdigte R'shiel, als sie vor dem überreich mit Schnitzereien verzierten Pult stand, kaum eines Blicks. Frohinia hatte die Hände flach vor sich auf die Tischplatte gelegt; ihre Miene brachte Düsternis zum Ausdruck, als sie sich an die Court'esa wandte.
»Ist das dasselbe Mädchen, das du gestern Abend im Blauen Bullen gesehen hast?«
Bei genauerem Hinschauen stellte R'shiel fest, dass die Court'esa kaum älter war als sie. Die junge Frau nickte und streifte R'shiel mit einem Blick, der stumm um Vergebung bat. »Ja, Euer Gnaden.«
Frohinia nahm die Bestätigung ohne jede äußere Regung zur Kenntnis. »Lasst die Court'esa in den Kerker sperren, Jenga«, befahl sie. Es musste als Anzeichen der Missgunst gelten, dass sie es sich sparte, den Obersten Reichshüter mit seinem Titel anzureden. »Darf ich darauf bauen, dass Ihr die übrigen Verräter ohne meine Beihilfe dingfest macht?«
Diese Schmähung ließ sich nicht missverstehen. Frohinia gab die Schuld an dem Fluchtversuch den Hütern, also Jenga. Wortlos harrte R'shiel aus, während Jenga, Meister Draco, die zwei Hüter-Krieger sowie die Cout'esa das Kabinett verließen.
Kaum schloss sich hinter ihnen die Tür, erhob
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