Dämonenkind 01 - Kind der Magie.pdf
auch der Oberste Reichshüter, Meister Draco sowie die vier Schwestern des Quorums. Die Zuschauerplätze waren leer. Sogar die Wachen schickte man hinaus. Tarjanian wurde an die Anklagebank gekettet. An der Wand hinter der Richterbank hing ein riesiger Gobelin, der eine Frau zeigte, die auf einem Arm ein Kind, in der anderen Faust ein Schwert hatte. Sie verkörperte ein Sinnbild für die Kaste der Schwesternschaft des Schwertes. Der Nebenzweck des Gehänges war weniger offensichtlich. Dahinter befand sich ein Harshini-Wandgemälde, das sich durch kein Scheuern oder Überstreichen hatte beseitigen lassen. Einmal hatte Tarjanian es gesehen, während er - als Kind - gemeinsam mit Georj einen Erkundungsausflug durch die Zitadelle unternommen hatte.
»Ihr habt doch nicht angenommen, wir würden Euch hier eine Zuhörerschaft stellen, oder?«, fragte Harith. Sie hatte schon am Vormittag im Sondergericht Aburteilungen vorgenommen. An diesem Tag gab es wahrlich viel für sie zu tun.
»Also fürchtet Ihr mich wirklich. Dann kann ich zufrieden sterben.«
»Leider muss dir der Tod versagt bleiben«, erwiderte Frohinia und weidete sich voll boshafter Genugtuung an seinem Erschrecken. »Eurer kläglichen Revolte fehlte fürwahr noch ein Märtyrer. Du jedenfalls hältst dafür nicht her. Dich aufzuknüpfen hätte nichts als Unruhe zur Folge. Deshalb haben wir entschieden, deine Abbitte sowie ein Verzeichnis deiner heidnischen Mitverschwörer entgegenzunehmen und zur Gegenleistung eine Verbannung nach Grimmfelden für lediglich fünf Jahre über dich zu verhängen. Nach Ablauf der Verbannungsdauer wollen wir, sollten wir der Ansicht sein, dass du hinlängliche Reue zeigst, gern über deinen Antrag auf Wiederaufnahme ins Hüter-Heer beraten.«
Tarjanian war fassungslos. »Es gibt kein Verzeichnis. Ich bereue nichts.«
»Es ist ja eben das Erfreulichste an der ganzen Sache«, erklärte Jacomina, »dass wir gar keine solche Aufstellung brauchen. Wenn der Verdacht besteht, dass Ihr von den Rebellen abgefallen seid, gehen sie zugrunde. Jeder weiß, dass Ihr baumeln müsstet für das, was Ihr verbrochen habt. Indem wir Euch nicht aufhängen, zerstören wir Eure Glaubwürdigkeit. Ein überaus kluger Zug, nicht wahr?«
»Draco hat mir versprochen, für das vorgebliche Untergraben der Rebellion als Held gefeiert zu werden«,
antwortete Tarjanian. »Eine Verbannung nach Grimmfelden kann schwerlich als angemessener Dank für hervorragende Dienste gelten.«
»Ihr habt im Namen des Heidentums getötet, Tarjanian.« Harith hob die Schultern. »Dafür müsst Ihr bestraft werden. Das wird auch den Rebellen einsichtig sein.«
»Eure List wird scheitern«, behauptete Tarjanian. »Niemand wird glauben, dass ich der Rebellion den Rücken gewandt habe.«
»Niemand hätte geglaubt«, entgegnete der Oberste Reichshüter, »dass ein Hauptmann des Hüter-Heers seinen Eid bricht und sich gegen die Schwesternschaft auflehnt.«
Ohne mit der Wimper zu zucken, hielt Tarjanian dem Blick seines vormaligen Oberbefehlshabers stand. »Die Schwesternschaft vergeht sich am Volk.«
»Ach, hört mir doch auf mit diesem heidnischen Unfug«, fuhr Harith ihn an. »Dergleichen wünschen wir hier nicht zu hören, Tarjanian. Ihr habt Euch an uns vergangen, und nun müsst Ihr die Strafe erleiden. Ich bin der Ansicht, wir sollten Euch hängen, aber Eure Mutter hat uns davon überzeugen können, dass es gescheiter ist, Euch vor aller Welt bloßzustellen.«
»Wie sinnig, Mutter.«
»Eure Männer sollen ihn ins Kabinett bringen, Hochmeister«, sagte Frohinia zu Jenga. »Ich möchte unter vier Augen mit dem Gefangenen sprechen, bevor er die Verbannung antritt. Die Wagen dürften am Nachmittag bereit zur Abfahrt sein.«
»Wie Ihr wünscht, Euer Gnaden.«
»Allzeit der gehorsame Diener«, murmelte Tarjanian.
Mitten im Schritt blieb der Oberste Reichshüter stehen und drehte sich nach Frohinia um. »Gestattet Ihr mir, Euer Gnaden, diesen Missetäter zurechtzuweisen?«
»Durchaus«, antwortete Frohinia mit steinharter Miene. »Mich brennt es zu erfahren, was Ihr unter einer Zurechtweisung versteht. Für jemanden, der angeblich über eine Woche lang der Folter unterworfen wurde, sehen wir ihn in bemerkenswerter Frische.«
Mit undeutbarem Gesichtsausdruck stellte sich Jenga vor Tarjanian. Wunderte es auch ihn, dass sich Tarjanian nicht in schlechterer Verfassung befand? Loclon hatte - die Tatsache ausnutzend, dass Tarjanian sich nicht wehren konnte - diesen mehrmals
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