Dämonenkind 01 - Kind der Magie.pdf
ausdruckslose Miene. Sie hatte gehofft, dass Loclon den Feldhauptmann zum Bergwerk begleitete, aber ein Hauptmann musste Cortanen bis zu seiner Wiederkehr in Grimmfelden vertreten, und offenbar war die Wahl auf Loclon gefallen. R'shiel sank der Mut, als sie sich vergegenwärtigte, dass Tage verstreichen mochten - wie viele, das hing davon ab, wie sorgsam die Zwangsarbeiter ihre Revolte vorbereitet hatten und durchführten -, bevor der Feldhauptmann in die Stadt zurückkehrte.
»Jawohl, Hauptmann.«
Loclon schickte den Sergeanten fort, mit dem er sich unterhalten hatte, stapfte auf R'shiel zu und vertrat ihr den Weg zum Hauseingang. Vermutlich lauerte er schon seit den frühen Morgenstunden vor dem Haus.
»Melde dich zwecks Versetzung bei Schwester Prozlan.«
»Die gnädige Frau hat angeordnet, dass ich im Haus zu bleiben habe.« Wilem Cortanen war eben erst zur Stadt hinausgeprescht. Crisabelles Kutsche befand sich wahrscheinlich noch innerhalb der Mauern.
»Der Feldhauptmann ist fort, und Crisabelles Wünsche gelten uns so viel wie Fliegengesumm«, stellte Loclon klar. »Bis auf Weiteres habe ich hier die volle Befehlsgewalt, und ich befehle dir, dich unverzüglich zwecks Versetzung bei Schwester Prozlan zu melden.«
»Laut Anweisung der Gnädigsten habe ich bis zu ihrer Rückkehr im Haus zu sein«, erklärte R'shiel ein zweites Mal. Eine Versetzung hätte zur Folge, dass sie die Sicherheit verlor, den sie im Haushalt der Cortanens genoss.
»Widersetzt du dich meiner eindeutigen Anordnung, Strafgefangene?«, fragte Loclon. Er trat einen Schritt näher, und R'shiel wich unwillkürlich zurück. Ihre Waden prallten gegen den harten Stein des Mäuerchens, das den Wohnsitz des Feldhauptmanns umringte. »Weißt du, welche Strafe dir ...«
»R'shiel! Komm sofort herein! Ich wünsche meinen Tee!« Im Obergeschoss lehnte sich mit bitterböser Miene Mahina aus dem Fenster. »Hauptmann, habt Ihr nichts Dringlicheres zu tun, als meine Bedienstete zu belästigen? Schert Euch fort!«
Ohne Loclon eines weiteren Worts zu würdigen, floh R'shiel, sich darüber im Klaren, dass sie abermals großes Glück gehabt hatte, in den Schutz des Hauses.
Den restlichen Vormittag brachte R'shiel damit zu, hinter Crisabelle aufzuräumen. Mahina erwähnte Loclon mit keinem Wort. Sie kündete R'shiel an, zum Nachtmahl wieder da zu sein, das Mittagessen jedoch gedachte sie unterdessen mit der Heilerin Khira einzunehmen, die Mahina zufolge die einzige Frau in Grimmfelden war, mit der sich ein vernünftiges Gespräch führen ließ. Nach dem Ordnungschaffen erklärte Songard ihre Absicht, sich wieder ins Bett zu legen. Für die Court'esa war das frühe Aufstehen etwas Ungewohntes. Die neue Stellung fand bei ihr wenig Anklang. R'shiel kränkte es, dass Songard ihre Anstrengungen, sie aus der Lustsklaverei zu erlösen, nicht angemessener zu würdigen wusste. Man sah in Songards Gesicht noch gelbbraune Flecken, aber immerhin war es inzwischen abgeschwollen. Vielleicht begriff sie noch irgendwann, dass das Leben mehr als das Dasein einer Court'esa zu bieten hatte. Große Hoffnungen machte R'shiel sich allerdings in dieser Hinsicht nicht. Songard hielt sich schlichtweg an die Überzeugung, sich mit dem abfinden zu müssen, was das Leben einem bescherte, und sich glücklich schätzen zu dürfen, wenn es Gewinn abwarf.
Diesmal aber widersprach R'shiel ihrem Wunsch nicht. Kaum dass R'shiel nach dem gemeinsamen Mittagsmahl den Tisch abgewischt hatte, lag Songard schon wieder in festem Schlummer.
R'shiel wusste, dass für eine Flucht kein günstigerer als der jetzige Zeitpunkt mehr kommen würde, da nur noch eine schwache Hüter-Besatzung den Ort bewachte. Neue Regenwolken trübten den Himmel, als R'shiel den Hinterhof betrat, um Brennholz für den Herd ins Haus zu schaffen; ein weiteres Gewitter braute sich zusammen. Zufrieden betrachtete sie die Wolken. Nur noch Stunden, und ihr Aufenthalt in der Bannschaft würde ein Ende nehmen. Bis dahin wollte sie Songards Vorbild folgen und sich Schlaf gönnen.
Ihr stand eine lange Nacht bevor.
Als R'shiel das nächste Mal erwachte, war es draußen dunkel geworden. Behutsam huschte sie zur Tür und öffnete sie einen Spalt. Die Küche war menschenleer und lag im Finstern. R'shiel nahm ihre kärglichen Habseligkeiten und schlüpfte leise, um Songard nicht zu stören, aus der kleinen Kammer. In der Küche verweilte sie lediglich lange genug, um einen Laib Brot, ein halbes Rad Käse und ein zierliches
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