Dämonenkind 01 - Kind der Magie.pdf
schweren Türflügel und betrat das Kabinett; Garet und Tarjanian schlössen sich ihm an. Als sie eintraten, erhob sich Mahina. Hinter ihrem Tisch stand Draco und bewahrte wie stets eine undeutbare Miene. Mahina umrundete den Tisch, um die Ankömmlinge zu begrüßen, und streckte herzlich die Hand aus. Jenga konnte sich nicht daran entsinnen, wann eine Erste Schwester ihm das letzte Mal so viel Achtung bekundet oder ihn in diesem Maß als Ebenbürtigen behandelt hatte.
»Was denn, Hochmeister, schüchtere ich Euch jetzt, da ich Erste Schwester bin, derartig ein, dass Ihr zwei Mann Verstärkung mit Euch bringt?«
»Keineswegs, Euer Gnaden. Sie sind da, damit sie Euch Fragen beantworten können und ich mir nicht den Mund fusselig reden muss.«
Verwunderung furchte Mahinas Stirn. »Also ist es kein Freundschaftsbesuch, sondern Ihr kommt in dienstlicher Sache? Dann nehmen wir doch Platz. Wenn ich den Stapel Pergamente sehe, den Tarjanian bei sich hat, denke ich mir, dass wir eine ganze Weile beschäftigt sein werden.«
Das Kabinett der Ersten Schwester war eine ungewöhnlich große Räumlichkeit, auf deren früheren Zweck Jenga nie irgendwelche Rückschlüsse hatte ziehen können. Aus den Wänden strahlte das gewohnte Leuchten, und die Sprossenfenster, die vom Boden bis zur Decke reichten, boten Ausblick auf eine mit steinerner Brüstung gesäumte Terrasse. Der wuchtige, mit reichen Schnitzereien verzierte Tisch stand gleich an diesen Fenstern, sodass die Benutzerin den Vorteil weitgehend natürlichen Tageslichts genoss. Um den Tisch, an dem sich sonst das Quorum versammelte, waren vier schwere, mit Leder gepolsterte Lehnstühle
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angeordnet. Mahina deutete auf die Stühle und setzte sich wieder hinter den Tisch; die Handteller legte sie auf die blank geputzte Holzplatte.
»So, Hochmeister, was kann ich für Euch tun?«
»Ich habe eine Reihe von Vorschlägen zu unterbreiten, Euer Gnaden«, erklärte Jenga. »Sie betreffen das Hüter-Heer und die Verteidigung Medalons.«
»Was im Einzelnen?«
»Die hythrischen Grenzüberfälle. Den Vertrag mit Karien. Den Grenzschutz im Allgemeinen. Die Frage der inneren Unruhe.«
Nachdenklich verzog Mahina das Gesicht. »Das ist eine beachtliche Aufzählung, Jenga. Befassen wir uns mit einer Sache nach der anderen, ja? Machen wir den Anfang mit den Hythriern.«
»Wie Ihr wünscht, Euer Gnaden.« Jenga nickte. »Ich ersuche um Eure Erlaubnis, dass die Hüter zwecks Verfolgung hythrischer Räuber die Grenze nach Hythria überschreiten dürfen.«
Mahinas mütterliches Gesicht zeigte Befremden. »Soll das heißen, Jenga, die Hüter stehen an der Grenze und schauen zu, wie die Hythrier mit unserem Vieh durchbrennen?«
»Leider ist es so, Euer Gnaden.«
»Seit wann ist das der Fall?«
»Seit rund einem Jahrzehnt«, antwortete Tarjanian an der Stelle des Hochmeisters; er gab sich keine Mühe, um seinen Ärger über den beschriebenen Zustand zu verhehlen. »Trayla sprach das Verbot aus, während sie vor ungefähr zehn Jahren Markburg besuchte. Ihre Kutsche hatte einen Bruch, und sie musste einen Nachmittag am
Straßenrand zubringen. Ihre Schlussfolgerung lautete, dass ihr, hätten sich die Hüter im näheren Umkreis der Ortschaft befunden, anstatt jenseits der Grenze Räubern nachzujagen, ein unbequemer Nachmittag in der Hitze erspart geblieben wäre. Am nächsten Tag erließ sie den genannten Befehl und weigerte sich trotz inständiger Bitten sowohl des Obersten Reichshüters wie auch Feldhauptmann Verkins, ihn zurückzunehmen.«
»Ist das wahr, Draco?«, fragte Mahina und schaute den Kämpen der Ersten Schwester fragend an. Mit nichts sagender Miene nickte Draco.
»Ich glaube ja, Euer Gnaden.«
»Betrachtet die Weisung als verworfen«, sagte Mahina mit entschiedenem Nachdruck und wandte sich wieder an Jenga. »Das ist ja wahrlich das Lachhafteste, das ich je gehört habe. Wie viel Vieh haben wir wegen dieses Unsinns in den vergangenen zehn Jahren verloren? Bei den Gründerinnen, manchmal kann ich über meine Schwestern bloß staunen.« Plötzlich blickte sie die drei Hüter nacheinander an und schnitt eine Grimasse. »Ich darf mich auf Eure Verschwiegenheit verlassen, Ihr Herren, sodass außerhalb des Kabinetts niemand von dieser Bemerkung erfährt?«
»Darauf könnt Ihr bei unserer Ehre bauen, Euer Gnaden«, versicherte Jenga. Draco schwieg. Er kannte sämtliche Geheimnisse der Ersten Schwestern, und nach Jengas Wissen hatte er ihr Vertrauen innerhalb von dreißig Jahren
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