Dämonenkind 01 - Kind der Magie.pdf
heutzutage ist es anders. Mein Sohn hat einen Hüter angegriffen. Mehr bedarf es nicht, um seine Schuld zu beweisen. Nun kann Jelanna uns nicht mehr beschützen.«
Jelanna - die heidnische Göttin der Fruchtbarkeit. »Also seid ihr wahrhaftig Heiden«, schlussfolgerte Tarjanian. Er empfand es als Hohn des Schicksals, Hüter erschlagen zu haben, um Heiden Schutz zu gewähren. Er hob den Blick und sah R'shiel an, doch ihre Miene ließ sich unmöglich deuten.
»Wenn das, was Ihr hier erlebt habt, die von den Schwestern des Schwertes verkündete Gerechtigkeit ist, könnt Hir's uns da verübeln?«, erwiderte der Mann und streichelte das helle Haar seines toten Sprösslings.
Tarjanian enthielt sich einer Antwort. Alles, was er gelernt hatte, was er glaubte, ließ keinen Zweifel daran, dass die Heiden für Medalon eine Gefahr darstellten. Einen Großteil seines bisherigen Lebens als Erwachsener hatte er damit zugebracht, Heidenkulte auszutilgen. Nie hätte er erwartet, eines Tages in eine Lage zu geraten, in der er Heiden gegen Hüter verteidigte.
»Was wollt ihr jetzt tun?«, fragte R'shiel, die sich einen Weg durch die Trümmer zu ihnen bahnte.
»Fliehen«, antwortete der Mann; mit einem Schulterzucken besah er die in der Schankstube angerichtete Verwüstung. Das Stöhnen der Verletzten tönte durch die Herberge, als wäre sie ein Heeresspital voller Verwundeter. In der Ecke stellte eine Frau umgefallene Stühle auf, während andere Anwesende, noch völlig entsetzt über das Geschehen, nur entgeistert vor sich hin stierten. »Was bleibt uns anderes übrig?«
»Könnt ihr denn irgendwo hingehen?«
Der Gastwirt nickte. »Manche unter uns haben Verwandte in anderen Dörfern, sie werden uns aufnehmen. Einige jedoch, so wie Ghari und Mandah, sind fernab ihrer Heimat. Sie sind es, um die ich mich am meisten sorge. Es besteht große Gefahr, dass die Hüter zuerst sie aufgreifen.«
Zum Zeichen der Zustimmung nickte Tarjanian. Frohinia strebte unzweifelhaft an, dass man im Land alle Heiden vertilgte, doch ebenso sicher beschritten die Hüter dabei ihre eigenen Wege. Sie erledigten an erster Stelle die Aufsässigen, all die Heiden, die jung und hitzköpfig genug waren, um sich zu widersetzen. Die Hüter mochten allgemein gehaltene Befehle bekommen haben, aber davon wurden sie um keinen Deut dümmer.
Unvermutet umklammerte der Mann mit schmerzhaft kraftvollem Griff Tarjanians Arm. »Ihr könntet ihnen helfen. Ihr habt die Möglichkeit, sie in Sicherheit zu bringen.«
»Für euresgleichen gibt es in ganz Medalon keine Sicherheit«, erklärte Tarjanian barscher, als er es beabsichtigt hatte. »Die Schwesternschaft wird euch vernichten.«
Der Gastwirt schüttelte den Kopf. »Nein. Das Dämonenkind kommt. Er wird uns retten. Jelanna hat uns ein Omen der Offenbarung gesandt.«
Tarjanian richtete sich auf und maß den Mann mit grimmigem Blick. »Jelanna könnte ihr Omen mit Blut an den Himmel schreiben, Mann, aber deshalb wird es auch nicht wahr. Vergesst diese Hirngespinste und sucht das Weite, solange es euch noch möglich ist.«
»Fürchtet Ihr das Dämonenkind?«, fragte Ghari spöttisch.
»Nein, bloß glauben wir nicht an Ammenmärchen«, entgegnete R'shiel. »Und hättet ihr einen Funken Verstand, tätet ihr's auch nicht.«
»Und hättet Ihr nur das rechte Maß an Glauben, wäre die Wahrhaftigkeit der Offenbarung Euch ersichtlich«, behauptete der junge Heide. »Wir stehen unter Jelannas Schutz.«
»Tatsächlich?«, meinte R'shiel und ließ sich jetzt ihrerseits Spott anmerken. »Ich habe nicht gesehen, dass sie heute Abend sonderlich viel zu eurem Heil getan hätte.«
»O doch, sie hat es«, widersprach hinter Tarjanians Rücken eine Frauenstimme. Er drehte sich um und erblickte eine junge Frau mit blonden Haaren. Sie sah Ghari so ähnlich, dass man sie auf Anhieb als seine Schwester erkannte, denn beide hatten das gleiche Haar und die gleichen hellgrünen Augen. »Allerdings handeln die Götter nicht immer so, wie wir es von ihnen erwarten. Um uns zu helfen, hat Jelanna Euch zu uns geführt, Hauptmann.«
Tarjanian musste starke Beunruhigung unterdrücken, als er hörte, dass sie ihn mit seinem Dienstgrad ansprach. »Ihr verwechselt mich mit jemandem. Ich habe keinen Rang.«
»Ihr seid Tarjanian Tenragan, Hauptmann des Hüter-Heers und Sohn der Ersten Schwester. Ihr und Eure Schwester seid auf der Flucht, und auf Euren Kopf ist ein Preis ausgesetzt. Eure Anwesenheit in unserem Dorf wird die Hüter ablenken. In
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