Daemonenmal
Vorschriften.“
„Sie sind Polizisten.“ Montaigne strengte sich an mitzuhalten und rutschte beinahe aus seinen Schuhen. Ich beschleunigte meinen Schritt noch etwas mehr, damit er ein Stückchen hinter mir zurückblieb, nur für alle Fälle. „Wir konnten sie doch nicht einfach mitten auf der Autobahn liegen lassen.“
„Auf der Autobahn?“ Das wird ja immer besser. „Jetzt noch mal von vorn, Montaigne. Und zwar schön langsam.“
Der Flur war glücklicherweise verlassen, nach einer halben Ewigkeit führte er zu einer Schwingtür. Stantons Schuhe quietschten auf dem Boden. Er hatte zwei verschiedene Turnschuhe an und verschiedenfarbige Socken – eine giftgrün, die andere dunkelblau. Was auch passiert sein mochte, war Anlass gewesen, sowohl Monty als auch Stan verdammt schnell aus dem Bett zu schmeißen.
Andererseits legte Stan nie besonders großen Wert auf so was wie zusammenpassende Schuhe. So sind Genies nun mal.
„Ein paar Jungs von der Verkehrspolizei haben ungefähr um Nullzweihundert etwas Merkwürdiges gemeldet und Verstärkung angefordert. Die Verstärkung traf ein und meldete, dass der erste Einsatzwagen am Straßenrand stand. Danach brach die Verbindung ab. Die Zentrale versuchte weiter, beide zu erreichen, erhielt aber keine Antwort. Also schickte man noch einen Wagen raus. Zur gleichen Zeit haben sie auch mich angerufen, und ich traf etwa um Nulldreihundert ein. Im beschissenen dritten Auto saß ein Frischling. Aus irgendeinem Grund hat der andere – ein alter Hase – den Neuen im Wagen zurückgelassen und ist alleine losgegangen, um nach den anderen zu sehen. Zu dem Zeitpunkt waren bereits alle verfügbaren Leute dorthin unterwegs. Es herrschte heilloses Chaos.“ Montaigne schnappte nach Luft und fiel zurück. Sein Herz hämmerte hörbar. Ich schraubte mein Tempo etwas runter. „Gleichzeitig trafen vier weitere Wagen ein. Sie fanden den Frischling blutüberströmt vor. Irgendwas hatte das Auto wie eine Blechdose geöffnet und ihn rausgezerrt. Er liegt mit einem Trauma im Luz General. Dem letzten Stand zufolge steht es nicht gut um ihn. Die anderen fünf die beiden ersten Teams und den alten Hasen – hat man in Stücke gerissen.“
Stücke? Die Narbe pochte unnachgiebig heftig, als wolle sie sich in meine Haut hineinwühlen. Sie versenkte sich nie wirklich tiefer, aber das ungute Gefühl blieb. Die Frage, wie es sich anfühlen würde, falls sie sich irgendwann tatsächlich einmal bis auf den Knochen grub, verfolgte mich oft, vor allem während langer, schlafloser Observierungen. Ebenso wie Michails Geist leistete sie mir dabei immer wieder gerne Gesellschaft.
„Stücke?“ Ich klang mäßig überrascht. Bevor ich die Beweise nicht selbst gesehen hatte, konnte ich rein gar keine Vermutungen anstellen. Und vielleicht nicht mal danach. Als Jäger wird einem eingeschärft, nie vorschnell irgendwelche Hypothesen aufzustellen. Wenn man sich gleich zu Beginn auf eine falsche Fährte einschießt, kann man ganz leicht etwas Wichtiges übersehen.
Und ein Jäger, der mit Scheuklappen durch die Gegend rennt, lebt nicht lange.
„Ganz recht, Stücke. Was sie auch getötet hat, hat sie wie Müll auf die Fahrbahn geschleudert. In Stücke gerissen. Blutige Stücke.“ Montaigne verstummte.
Wir erreichten die Schwingtüren, und ich blieb wie angewurzelt stehen, sodass auch die beiden anderen abrupt innehalten mussten. „Bevor oder nachdem es den Frischling aufgeschlitzt hat?“
Montaigne stank nach Angst, als er und Stan mir den Vortritt ließen. Auf einmal hielten sie sich wieder an die Vorschriften. Eigentlich hätten sie die Leichen überhaupt nicht herbringen dürfen, bevor ich vor Ort sicherstellen konnte, dass sie wirklich tot waren und nicht einfach nur irgendetwas ausbrüteten.
Monty griff nach seiner Zweitwaffe im Holster unter seiner Achsel. „Wissen wir nicht.“
Herr im Himmel. Ich holte tief Luft und gab ihnen zu verstehen, dass sie zurücktreten sollten. „Also dann, Jungs. Macht Platz für die große, böse Kismet. Wollen wir doch mal sehen, was das Monster uns dagelassen hat.“
Montaigne verzog das Gesicht, aber er verstand mich. Es hört sich vielleicht brutal und gefühllos an, aber ein Jäger lernt verdammt schnell, sich den richtigen Galgenhumor zuzulegen. Genau wie ein Cop.
Es ist der einzige Weg, Selbstmord oder Heulkrämpfe zu vermeiden. Und oft genug funktioniert es nicht. Dann fängt man an zu trinken oder wahllos rumzuvögeln.
Alles klar?
Ich schob mich
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