Daemonenmal
schwungvoll durch die Tür und ging sofort mit beiden Pistolen im Anschlag in die Hocke, während die Schwingtüren an beiden Seiten gegen die Wand knallten. Nichts zu sehen außer den Tischen und dem Fliesenboden im schauderhaften Licht einer Leichenhalle. Jede einzelne Bahre war besetzt. Heute Nacht war im Santa Luz gut was los gewesen. Die fünf Leichensäcke zur Linken waren völlig formlos, selbst durch das dicke Plastik sahen die Inhalte falsch aus. Die Leichen auf der anderen Seite dagegen wirkten völlig normal in ihren Säcken – soweit man bei einer Leiche von normal reden kann.
Früher hat es mir noch was ausgemacht, dass jeder Sack einmal ein Leben bedeutet hatte, die Überbleibsel von jemandem, der einmal laufen gekonnt, geatmet und eine Seele gehabt hatte. Dann waren es nur noch die Kleinigkeiten, die mir auf den Magen schlugen. Blutverkrustete Haare, ein verlorener Ohrring oder ein halb verheilter blauer Fleck, der nun nie wieder verschwinden würde. Und – und das war am schlimmsten – die kleinen Säcke.
Die für Kinder.
Ich atmete tief durch, und ein Geruch stieg mir in die Nase, mit dem ich nun gar nicht gerechnet hatte: der süßliche Gestank von Verwesung – der Duft von Höllenbrut –, allerdings vermischt mit etwas anderem, das eigentlich keinen Sinn ergab. Ein trockener, intensiver Moschusgenich, feuerheiß, wie nach verfilztem Fell und ungesunder, schuppiger Haut. Ich rümpfte die Nase, schnupperte noch einmal, sog die Luft ganz tief ein und untersuchte die Säcke mit beiden Augen. Mein schlaues Auge, das blaue, bemerkte nichts Ungewöhnliches – nichts regte sich, kein Ungleichgewicht schwebte im Äther über den toten Körpern. Mein dummes Auge, das braune, ließ den Blick über ihre Konturen gleiten und versorgte mich mit einigen Eindrücken, die mir nicht unbedingt gefielen.
„Gesichert“, rief ich und steckte die Waffen zurück in die Holster. Montaigne stieß hörbar ein erleichtertes Seufzen aus und kam durch die Tür.
„Bleibst du noch zum Anschnitt, Jill?“, schniefte Stan, und sein trüber Blick löste sich von meinem Dekolleté, wanderte über die fünf Leichen zur Rechten und glitt schließlich unsicher über mein Gesicht.
Für fünf Autopsien braucht man eine ganze Weile. „Ich werd’s mir kurz ansehen, aber die Feinarbeit überlasse ich dir und Monty. Ich brauche den Bericht. Das fällt in meinen Bereich.“
Stan machte ein langes Gesicht. Monty ebenfalls. Sie sahen bleich aus, und das lag nicht nur an den Neonröhren.
„Herrgott.“ Nicht, dass Monty aus den Latschen kippte, aber er machte einen Schritt zur Seite, wie ein Stier, der im Gras scharrte, unsicher, was er angreifen sollte. „Womit zum Teufel haben wir es hier zu tun?“
„Weiß ich noch nicht.“ Und das war die volle Wahrheit. „Ich seh mich mal am Tatort um. Vielleicht finde ich ja eine Spur. Nach dem, was du mir erzählt hast, hat es entweder bekommen, worauf es aus war, oder die Einsatzwagen haben es verscheucht. Ich gehe einfach mal davon aus, dass sie nicht in aller Stille angerückt sind.“
Er verdrehte die Augen, während Stan sich auf die Hacken stellte, die Hände in den Taschen seines Laborkittels vergrub und uns neugierig beobachtete. „Schätze, du kannst mir keinen nützlichen Hinweis geben.“
Noch nicht. Ich hab mir ja noch nicht einmal die Leichen angesehen. „Das hier fällt in den Aufgabenbereich eines Jägers, Monty. Wie viel willst du wissen?“
Monty schüttelte vehement den Kopf. Wäre er fünf Jahre alt gewesen, hätte er sich wahrscheinlich die Hände auf die Ohren gepresst.
Klug von ihm.
„Ich werde mir die Sache mal ansehen“, sagte ich noch einmal, „und dann mache ich mich auf den Weg und halte Ausschau nach Hinweisen. In meiner Stadt kommt keiner ungeschoren davon, der meint, unsere tapferen Freunde und Helfer ermorden zu können, meine Herren. Stan?“
Er zuckte mit den dürren Schultern, und die Stifte in seiner Westentasche schlugen gegeneinander. „Nach dir.“
Er bot mir sehr betont nicht an, die Säcke für mich zu öffnen. Genauso wenig erinnerte er mich daran aufzupassen, keine Beweise zu zerstören. Ich konnte mich noch nicht einmal darüber freuen. Aber vielleicht machte ihm einfach nur seine Grippe zu schaffen.
Entschlossen näherte ich mich dem ersten Leichensack. Die Amulette in meinem Haar klimperten. Nichts rührte sich, und keiner meiner Sinne schlug Alarm. Ich berührte den Sack und atmete leise aus. Die beiden Männer hinter mir
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