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Daemonenmal

Daemonenmal

Titel: Daemonenmal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lilith Saintcrow
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zu wissen war beruhigend.
    Ich öffnete den Reißverschluss. Noch bin ich mir nicht sicher, welche Variante die einfachere ist: kurz und schmerzlos, wie man ein Pflaster abreißt, oder langsam, damit man Zeit hat, sich Stück für Stück daran zu gewöhnen.
    Normalerweise mache ich es auf die schnelle Tour. Nenn es von mir aus einen persönlichen Tick.
    Der Tote war übel zugerichtet, ganze Stücke waren herausgerissen. Vom Gesicht war nichts mehr übrig, und sein kurzgeschorenes Polizistenhaar war blutverklebt. An den stoppeligen Spitzen saßen geronnene Tropfen. Einzig ein Teil des Kinns war unversehrt, auf dem noch ein Dreitagebart zu erkennen war. Hatte sich nicht rasiert, dieser Mann.
    „Der hier ist Sanders.“ Monty verlagerte das Gewicht aufs andere Bein, und seine Latschen quietschten leise auf den Fliesen. „Ungefähr fünfundvierzig. Wollte nächsten Monat in Vorruhestand gehen.“
    Ein fauler Sack, der sich auf seine unverdiente Rente freut. Und das noch vor mir. Jetzt würde er nie in Ruhestand gehen. Ich zog das Plastik weiter auf und inspizierte die fleischigen Klumpen. Seine Füße waren säuberlich zwischen seine Knie gesteckt worden, der rechte Arm fehlte. Die Rippen waren gebrochen, und ein grässlicher Gestank stieg mir in die Nase, kroch in meinen Magen und wurde dort zu bitterer Säure.
    Eindeutig Höllenbrut. Aber da ist noch was anderes. Etwas, das ich erkennen sollte. Ein so markanter Geruch sollte leicht zuzuordnen sein, verdammt. Suchen wir etwa nach einer Höllenbrut, die sich mit irgendeinem anderen Ding zusammengetan hat? Das passt nicht zu ihnen, die meisten sind beschissene Neidhammel. Trotzdem, ganz auszuschließen ist es nicht. Aber nichts, das einer der Höllenbastarde kontrollieren kann, riecht dermaßen übel. Es lief mir kalt über den Rücken. Ich zog den Reißverschluss wieder zu und wandte mich dem Nächsten zu.
    „Kincaid“, informierte mich Monty. „Achtundzwanzig. Guter, verlässlicher Cop.“
    Ich nickte und öffnete den Sack mit einem einzigen schnellen Handgriff.
    Der hier hatte ein Gesicht. Ein rundliches, hellhäutiges Gesicht mit einem gutmütigen Ausdruck und blutigen Sprenkeln. Ich musste erst mal tief Luft holen. Das bisschen, was von seiner Uniform übrig war, konnte die massiven Verletzungen nicht verbergen – die zerfetzte violette Speiseröhre, die weißen Knochensplitter, das Stückchen Halswirbel, das mich anglotzte. Man hatte ihm die Kehle herausgerissen und in den Eingeweiden herumgewühlt. Der Güllemief aufgeschnittener Gedärme erfüllte die kühle Luft. Beide Oberschenkelknochen waren gebrochen.
    Marlow, der Dritte, war ausgeweidet worden. Er hatte den ersten der Einsatzwagen gefahren, und was ihn auch angegriffen hatte, hatte mehr als genug Zeit gehabt, sein Werk zu vollenden. Es war gerade genug von ihm übrig, um ihn noch als menschlich zu identifizieren.
    Der Vierte – Anderson, Marlows Partner – sah am schlimmsten aus. Man hatte ihm den Arm abgerissen. Es braucht eine ganze Menge Kraft, um den Oberarmknochen direkt unterhalb der Schulter zu brechen. Man muss im richtigen Winkel ansetzen, damit der Knochen nachgibt, bevor die Schulter aus dem Gelenk springt. Seine anderen Gliedmaßen hingen nur noch an Fleischfetzen. Und zwar alle. Auch der Kopf.
    Bei keinem von ihnen war an eine Trauerfeier am offenen Sarg auch nur zu denken.
    Wie immer verging das Grauen, und die Leichen wurden zu bloßen Puzzlen. Wo gehörte dieses Teil hin, wohin passte das da?
    Dann erschrak ich wie üblich vor mir selbst und riss mich zusammen. Das hier waren Menschen. Jeder von ihnen war heute Morgen aufgestanden und hatte damit gerechnet, die Sonne auch wieder untergehen zu sehen. Niemand ist jemals wirklich auf den Tod gefasst, egal, was man dir in Filmen oder Märchen erzählt.
    Mein Magen rebellierte. Unter meinem Brustkorb wallte Hitze auf. Montys Tabletten gegen Sodbrennen sahen auf einmal sehr verlockend aus. Er besorgte sie sich kistenweise. Ein paar Hundert mehr oder weniger würden ihm gar nicht auffallen.
    Ich schloss Andersons Sack und drehte mich um. Stan und Monty starrten mich an. „Ich schau später noch mal vorbei und hol mir die Akten ab.“ Meine Augen waren rot und brannten. Schuld daran waren die Desinfektionsmittel, die untrennbar mit dem Duft des Todes einhergingen. „Was genau hat der erste Streifenwagen berichtet?“
    „Nur ‚Etwas Merkwürdiges’. Es gab keinen Code dafür.“ Montys Gesichtsfarbe hatte sich schon längst von

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