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Daemonenmal

Daemonenmal

Titel: Daemonenmal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lilith Saintcrow
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presste. Wie ein billiger Freier, der eine Hure gegen die Wand drückt und zusticht.
    Größer noch als die Wut war die Scham. Beide waren Beweis dafür, wie ich wieder einmal versagt hatte, das zu sein, was ein Mann brauchte. Wenn Michail zum Trader geworden war, wie konnte ich ihm noch länger vertrauen? Wie konnte er mir vertrauen, da das Mal einer Höllenbrut, dieses Fleisch gewordene Zeichen von Verdorbenheit, in mein Handgelenk eingebrannt war?
    Ich hab es nie jemandem erzählt, aber das war der Moment, in dem ich zu einer wahren Jägerin wurde. Denn plötzlich wurde mir klar, dass ich mich nicht mal auf meinen eigenen Lehrer verlassen konnte – wenn er sich mit etwas Nichtmenschlichem abgab, blieb er so lange eine offene Frage, bis ich herausfand, was vor sich ging. Er hatte mich gut unterrichtet, und vor der Logik konnte man nicht die Augen verschließen. Er verbarg etwas, und ich würde nicht ruhen, bis ich herausfand, was.
    Bis ich den Stein gelüftet und die madigen Kriechtiere darunter gesehen hatte.
    Ich war kein Unschuldslamm gewesen, als er mich fand, aber was an Unschuld noch in mir war, verschwand dort unter dem Granit-Jesus. Denn selbst während ich noch weinte, plante ich meine nächsten Schritte.
    Viel zu schnell würden die Tränen versiegt sein.

25
     
    Am nächsten Morgen schaltete ich das Radio ein, um die schlechten Nachrichten zu hören, und entspannte mich erst wieder, als nichts von neuen Morden berichtet wurde. Mit Gewalt hatten die Herbststürme eingesetzt und alles überflutet. Es hatte so lange geregnet, dass es durch meine Decke tröpfelte. Um die silbernen Tropfen aufzufangen, stellte ich die große Plastikwanne auf, über der ich normalerweise meine Lederklamotten ausbluten ließ. Und im nächsten Moment hatte ich die Sache auch schon wieder vergessen. Andere Dinge bereiteten mir größere Sorgen.
    Galina drückte ihr Bedauern aus. „Ich kann nicht, Jill. Ich habe in meinem Allerheiligsten dringende Arbeit zu erledigen – die nächsten drei Tage habe ich geschlossen, außerdem sind meine Vorräte aus. Ich würde ja wirklich, aber ich muss mich um die Schilde kümmern, und …“
    Ich sagte, ich verstünde. Und das tat ich auch.
    Mit Avery war auch nicht zu rechnen. „Die Exorzismen machen mich völlig fertig. Ich würde nur Fehler machen, Jill. Ich bin nicht kräftig genug, und das weißt du auch. Eva und Benito sind ebenfalls am Ende. Wir mussten letzte Nacht die ganze Stadt aufräumen. Das da draußen entwickelt sich zum reinsten Hexenkessel.“
    Schuld kochte in mir hoch wie eine heiße, stinkende Blubbermasse. „Ich arbeite dran, Ave.“
    Er stieß einen genervten Laut aus. Hinter ihm läuteten Telefone, und jemand rief etwas. Anscheinend war er gerade bei der Sitte und blödelte mit seinem Kumpel Lefty Perez herum. „Wann tust du das nicht? Vergiss die Märtyrer-Masche, Jill. Mach mal Pause, krieg einen klaren Kopf und knöpf dir diesen Bastard vor, damit wir endlich dieses Bier trinken gehen können.“
    Ich sagte Tschüs und legte auf, kaute auf meiner Unterlippe herum. Saul reichte mir eine Tasse Kaffee. „Kein Frühstück?“, fragte er zum dritten Mal.
    Mein Magen verkrampfte sich. „Nicht vor dem, was mir bevorsteht.“
    „Ich hab doch gesagt, dass ich den Anker für dich spiele. Ich wäre kein besonders guter Fährtenleser, wenn ich das nicht hinbekäme.“ Er hatte geduscht, und sein Haar fiel ihm feucht glänzend über die Schultern – abgesehen von den beiden Zöpfen links und rechts. Es stand ihm, betonte die klassische Form seiner Wangenknochen und kaschierte den markanten Kiefer. Er trug dasselbe T-Shirt, und ich fragte mich, wie viel Gepäck er eigentlich dabeihatte. Noch hatte ich keinen Koffer gesehen.
    „Ich kenne dich einfach noch nicht gut genug. Nimm ’s nicht persönlich.“
    Er zuckte lässig mit den Schultern, als könne ich ihn gar nicht beleidigen. „Schon okay. Aber es sieht so aus, als hättest du keine Alternative. Harp ist kein Fährtenleser, und Dom ist ihr Gefährte.“
    Anders ausgedrückt – sie wäre nicht begeistert, wenn Dominic mir nahe genug kommen würde, um mich abzusichern. Ich könnte wahrscheinlich noch Theron anrufen. Wenn es sein musste, konnte ich sogar noch ein paar mehr Leute aufschrecken, wie zum Beispiel Vater Guillermo von der Sacred Grace.
    Aber Gui war nicht stark genug. Jeder andere, der mir einfiel, wäre ein Risiko – und selbst in Gefahr. Nicht nur, weil ich verletzlich sein würde, sondern auch, weil der

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