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Daemonenmal

Daemonenmal

Titel: Daemonenmal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lilith Saintcrow
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lang, seitdem ich am Scheiterhaufen meines Lehrers gestanden und den kühlen Wind auf meinen tränenverschmierten Wangen gespürt hatte. Damals, als das Wimmern, das ich nicht rauslassen wollte, in meinen Bauch gekrochen und zu einer stetigen roten Flamme der Wut geworden war. Auf Höllenbrut, auf Sorrows, auf Michail -ja, diese Sünde hatte ich begangen. Ich war wütend auf meinen Meister, weil er mich im Stich gelassen hatte.
    Aber am meisten wandte ich dieses Leuchtfeuer von quälender Trauer gegen mich selbst. Weil ich versagt und ihn nicht gerettet hatte.
    Und jetzt war ich hier.
    „Ssch.“ Saul saß neben mir auf dem Bett. Ich schreckte zurück, riss den Ellbogen nach oben – aber er fing den Schlag mit seiner großen Hand ab. Seine Arme schlossen sich um mich, ein Käfig, den ich zugleich wollte und gegen den ich mich sträubte. „Lass es raus. Lass los.“
    „Ich kann nicht.“ Auf meinen Wangen glühten heiße Tränen. Meine Worte gingen in einem Schluchzen unter, und ich versteifte mich, stemmte mich von ihm weg. „Ich hab noch A-arbeit zu e-erledigen …“
    Noch mehr Höllenlöcher auszuräuchern. Denn die heutige Nacht ist so gut wie jede andere, um im Namen der Gerechtigkeit ein wenig Gewalt zu verüben und Perrys Stimme aus meinem Kopf zu kriegen. Ist mir völlig egal, oh i-ich zu müde b-hin …
    Der Gedanke verlor sich in heiserem Jammern, als Saul mich zu sich zog, in den Schutz seiner Körperwärme, und ich seinen Herzschlag spürte. Wergeruch stieg mir in die Nase, eine Mischung aus jungenhaftem Moschus und etwas anderem, Einzigartigem – sein Geruch. Wann hatte ich mir den eingeprägt?
    Was mich noch dringender interessierte: Seit wann gefiel er mir? Seit wann gab er mir ein Gefühl von Sicherheit, die gleiche Sicherheit, die mir Michails lange vergangener Duft nach Pfeffer, Leder, Wodka, Schießpulver und fremder Haut vermittelt hatte?
    Das knackte mich schließlich: die Erinnerung an den Geruch meines Lehrers, der sich ins Gedächtnis meiner Sinne eingebrannt hatte. Der machtvolle Gedanke an den einzigen Mann, der mich jemals beschützt hatte. Dieser Duft, der nun für immer fort war, begraben gemeinsam mit dem Menschen. Nichts war geblieben von dieser flüchtigen Spur einer Seele außer meiner wankelmütigen menschlichen Erinnerung.
    Diese kalten, trostlosen, grausamen Eindrücke von allem, was ich lieber vergessen würde.
    Ich presste die Zähne fest aufeinander. Schluckte das Schluchzen hinunter, noch bevor es ganz aufsteigen konnte,. wurde durchgerüttelt wie von einem Erdbeben – ein Krampfanfall, der mich vom Angesicht der Erde fegen würde. Ich gab keinen Laut von mir. Auch Saul schwieg, brummte nicht einmal tröstend. Er strich mir übers Haar, Silber sang und klimperte. Fuhr mit der Hand unter die schweren Strähnen und umfasste meinen Hals. Sein Daumen streichelte beruhigend die Stelle unter meinem Ohr. Er tat nichts, außer zu atmen und mich festzuhalten.
    Allmählich ließ das Zittern nach. In der Ferne donnerte es. Der Regen würde die Wüste überfluten und in Sturzbächen durch die Kanäle von Santa Luz rauschen, ausnahmsweise würde Wasser durch die ausgetrockneten Arterien der Stadt pumpen. Ich brauchte mir nichts vorzumachen – heute Nacht würde ich nichts mehr ausrichten können, selbst wenn ich es wollte. Wenn ich in diesem Zustand ins Dazwischen ginge, würde ich mich verlieren, die Konzentration nicht halten können.
    Und wenn ich in eins der Höllenlöcher hinabsteigen würde, würde ich am Schluss nur selbst geröstet werden. Ich war zu müde, zu fertig mit den Nerven und zu aufgekratzt.
    Ich konnte einfach nicht mehr.
    Schließlich lehnte ich mich gegen Saul – saß etwas steif da und presste die Wangen an seine Schulter. Seine Hand hatte meinen Nacken verlassen und streichelte nun langsam meinen Rücken. Hielt inne, seine Finger spielten auf dem Bogen einer Rippe. Glitten zu meiner Wirbelsäule, folgten meinen Muskeln über das T-Shirt.
    „Ich kann dich nicht mal leiden“, nuschelte ich traurig. Dafür hätte ich mich selbst treten mögen. Ich atmete seinen Geruch ein. Und noch einmal. Noch ein letztes Mal. Mach so weiter, Jill, und du wirst noch viel mehr wollen.
    Er nahm es mir nicht übel. Vielleicht verstand er mich sogar. „Warts ab. Ich hab mir sagen lassen, dass man sich an mich gewöhnen kann.“
    „Warum tust du das?“ Ich drückte die Augen fest zusammen, bis ich rotgoldene Sterne sah. Mein blaues Auge sah immer noch die komplizierten

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