Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Daemonenmal

Daemonenmal

Titel: Daemonenmal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lilith Saintcrow
Vom Netzwerk:
Vorgang an sich sehr riskant war.
    Ich begutachtete Saul, wie er so im Sonnenlicht stand, das durchs Dachfenster fiel. Es war ein blasses, frisches Licht, ausgebleicht vom Sturm der letzten Nacht. Der Wetterbericht hatte neue Stürme angekündigt. Sie kamen aus der Wüste, wo ein Höhenkamm auf einen anderen traf, der sich entlang dem üppigen und langsamen Luz River hinzog. Heute Nacht sollte es Wetterleuchten geben und morgen dann noch mehr Regen.
    Saul sah entschlossen aus, sein Blick war wach und unbeirrt. Das Silber hatte sich noch fester um seinen nassen Zopf gewickelt und hielt ihm die Haare aus dem Gesicht. Ich fragte nicht, wo er die vergangene Nacht verbracht hatte, denn heute Morgen hatte mein Bett nach uns beiden gerochen. Auch ich roch nach ihm, ein Hauch von Werwesen, vermischt mit Kordit, Silber, Leder, der Andeutung von Höllenbrut und Tod. Ein berauschender Mix.
    Das Armband war inzwischen nicht mehr wiederzuerkennen, rankte sich durch seinen Zopf wie Weinreben durch einen Zaun. Ich stierte auf das schimmernde Metall, während in mir die Erinnerung aufstieg.
    Er wollte einen Schluck aus seinem Kaffeetopf nehmen und hielt mitten in der Bewegung inne. Dampf stieg nach oben und berührte sein Gesicht. „Was hast du?“
    Das blonde und das rote Haar, ineinander verwunden. Ich stellte meine Tasse neben das Bett und war mit einem Mal auf den Füßen. Ich stürmte so schnell auf ihn zu, dass ich fast erwartete, er würde zurückschrecken, aber er rührte sich nicht, beobachtete mich nur. Seine Augen waren mehr als dunkel und sein Blick mehr als tief.
    Das Silber hatte seine Körperwärme angenommen – sein Wermetabolismus verströmte Hitze. Ich berührte das Metall, fuhr mit den Fingern über die winzigen Ranken, die sich mit den seidigen, feuchten Haaren verwoben hatten. „Hast du das gemacht? Es so verbogen?“
    „Das passiert einfach. Das ist ganz normal. Warum?“ Für einen winzigen Moment hob er herausfordernd das Kinn. Störrisch wie ein Maultier und überraschend jung sah er aus für einen Wer mit so viel Selbstbeherrschung. Wie alt war er eigentlich?
    Ich fuhr mir mit der Zunge über die Zähne und hob mir die Frage für später auf. Ich grübelte gerade über etwas anderes nach. Knapp unterhalb meines Bewusstseins formte sich eine Idee.
    Er gehört nicht meinem Vater … Er gehört mir. „Was hat das zu bedeuten, Saul?“
    Seine Finger flogen nach oben und griffen eins der Amulette in meinem Haar. Er zog leicht an dem roten Band. Seine Augenbraue zuckte bedeutungsvoll, und sein Mund wurde schmal.
    Ich kannte mich mit Werwesen gut genug aus, um zu wissen, dass ich keine ausführlichere Antwort erwarten durfte. Ich würde Harp fragen müssen. Irgendetwas an den beiden verflochtenen Haarsträhnen machte mich stutzig. Brachte mich auf den Ansatz eines Gedankens, der mir nicht besonders gefiel. Aber ich würde wohl noch eine Stunde oder so darüber brüten müssen. So viel Zeit hatte ich nicht. Ein ungutes Gefühl im Hinterkopf sagte mir, dass die Sache den Weg in Richtung Abschluss einschlug, und zwar keinen angenehmen.
    Wenn man erst lange genug mit Adrenalin und Intuition gelebt hat – und natürlich auch Magie –, dann entwickelt man zwangsweise ein Gespür dafür, wann eine Situation dabei ist, hochgradig zu eskalieren. Ich atmete hörbar aus, das ließ mir einfach keine Ruhe. Meine Hände waren feucht. „Na schön. Du spielst meinen Anker. Ich hoffe, du weißt, was du tust.“
    „Das tue ich meistens.“ Er ließ den Talisman los und richtete mein Haar wieder. Der störrische Ausdruck in seiner Miene war verschwunden, an seine Stelle war ruhige Bestimmtheit getreten. „Mach dir keine Sorgen. Ich lasse dich nicht fallen.“
    Komischerweise war mir das wirklich ein Trost.
    „Es ist nicht das Fallen, das mir Sorgen macht. Sondern das Auftauchen.“ Ich blickte auf die Kaffeetasse, die Wärme darin kroch in meine Finger. Ich reichte sie ihm. „Lass uns das durchziehen, bevor ich noch die Nerven verliere.“
    „Das kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen“, murmelte er, als er sich zum Gehen wandte.
    Ich musste mir ein Lächeln verbeißen.
    Dieses enge Zimmer benutzte ich nur selten, wie das Schloss und die Kette an der Tür bestätigten. Es war kaum mehr als eine Abstellkammer, die an meinen Übungsraum grenzte. An der leeren Wand gegenüber hatte vor Kurzem noch Michails Schwert gehangen. Ich nahm mir vor, das Sonnenschwert demnächst bei Galina wieder abzuholen, und führte

Weitere Kostenlose Bücher