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Daemonenmal

Daemonenmal

Titel: Daemonenmal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lilith Saintcrow
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Geschoss, so irrsinnig schnell. Es war dunkel. Die vollkommene Dunkelheit von Minden, geschlossenen Augen am tiefsten Meeresgrund mitten in der Nacht.
    Oben und unten existieren hier nicht, trotz des Gefühls, immer tiefer zu stürzen. Wir nennen es Dazwischen, weil es genau das ist: zwischen Leben und Tod, Erde und Hölle, physischer und geistiger Welt.
    Zwischen Gegenwart und Vergangenheit.
    Die größte Gefahr besteht darin zu vergessen, wer und was man ist – ins Chaos zu stürzen und sich aufzulösen, wenn die Psyche sich ohne äußere Begrenzung nicht mehr behaupten kann. Doch die Kette des Schmerzes schloss sich um mein Handgelenk, blutrotes Licht troff aus meinen Fingern, als die ätherische Kopie des Juwels, die Saul Dustcircle fest umklammert hielt, mir um ein Haar entglitt. Mir entfuhr vor geistiger Anstrengung ein lang anhaltendes Uuuuuuuuuuuf! Ich schmeckte Kupfer auf der Zunge und schluckte. Als die Kette sich mit einem mächtigen Ruck spannte und ich anhielt, setzte auch mein Bewusstsein wieder ein – das Wissen darum, wer ich war, was ich hier wollte, wonach ich suchte.
    Zeit hat hier keine Bedeutung, ebenso wenig wie Entfernung. Ich war wie ein Pfeil, der völlig bewegungslos von einem Ort zum nächsten wechselt, doch der Reflex eines realen Körpers drehte mir den Magen um. Ich würgte und röchelte, versuchte verzweifelt, mich daran zu erinnern, dass ich nicht in einem echten Körper steckte, sondern dazwischen, und deshalb keinen verfluchten Magen hatte, der seinen Inhalt entleeren konnte. Ich durchbrach die Grenze und fand mich in einer Einöde wieder, in derblasse Kopien von Wolkenkratzern schimmerten, eingehüllt in Nebel, der sich zu qualvoll verzerrten Gesichtern verdickte, als ich mich näherte. Ich flog durch Wände und gleißend helle Gefühle, die sich zu psychischen Lichtblitzen sammelten, bis der Ort in Sichtweite kam, der mich anzog.
    Es war ein Herrenhaus, dessen physische Maske dem entsprach, was die Superreichen und Paranoiden gewöhnlich bewohnten. Seine ätherische Form allerdings war ein Aufschrei von Leid und Lust an diesen Qualen. Es war eingehüllt in die psychischen Ausdünstungen von Tod und Verderben wie in das Rülpsen eines alten, krebszerfressenen Drachen, Verunziert durch schwarze Flammen, die direkt aus der Hölle emporloderten. In diesen Schlund jagte ich hinein. Das Nicht-Ich hielt einen blutenden Edelstein in der Faust, der sich wie eine Schlange wand und diesem grauenhaften Ort entfliehen wollte – zurück wollte in sein reales, körperliches Zuhause.
    Das Anwesen verschluckte mich.
    Und da waren sie. Die Höllenbrut war ein blasses Schwert verstorbenen Lichts und das entartete Werwesen eine sich windende Masse aus Fleisch und Fell, die zu ihren Füßen kauerte. Die Bilder überschnitten sich mit Cencis Gesicht, ihr Haar peitschte in fahlen Strähnen umher, während sie darum kämpfte, eine gewaltige Macht zu kontrollieren, die sie durchströmte. Sie bleckte die Zähne, ihre Miene war eine schmerzverzerrte Grimasse.
    Dazwischen zu sehen ist eine ganz eigene Art von Qual. Hier gibt es keine Grenze zwischen dem Gesicht und dem Geist, der sich dahinter verbirgt, zwischen Krug und Wein, Hat man einmal diesen Nicht-Raum betreten, wird man zur bloßen Karikatur seines Innenlebens. Höllenbewohner werden zu Windhosen der Verderbtheit, Jäger zu geraden, präzisen Pfeilen aus Helligkeit, und ein jeder trägt ein schreiendes Kind im Inneren. Es ist ein Abbild innerer Wahrheit, das dich in den Wahnsinn treiben kann, wenn du nicht darauf vorbereitet wurdest – und selbst dann ist dir deine geistige Gesundheit nicht garantiert.
    Cenci kniete nieder, das Werwesen vor ihr blutete. Der Boden war ein Mosaik aus Finsternis, ein schwarz-weißes Linoleumschachbrett, das sich in der Ewigkeit verlor. Hab keine Angst, flüsterte sie dem Klumpen aus zerrissenem Fell und Tiergebrüll zu. Ich kümmere mich um dich.
    Der Wer schrie auf, rasend vor Wut. Aber ihre schmalen, starken Arme legten sich um ihn – und dann kam Navoshtay Niv Arkady.
    Eine Welle sphärischer Energie prallte mir entgegen mit der Macht eines Schlägers, der auf einen Baseball eindrosch, um ihn mit Überschallgeschwindigkeit aus dem Spielfeld zu befördern. Die glitschige Leine zwischen meinen Fingern entglitt mir um einige Zentimeter, ich verlor den Halt, lockerte den Griff, mein Ich wurde durch den Nichtraum geschleudert, schlitterte auf den Rand der Realität zu.
    Und über die Kante …
    Aus weiter Ferne hörte

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