Daemonenmal
Stattdessen machte ich auf dem Absatz kehrt und ging zur Tür. Im Vorbeigehen griff ich nach meinem Waffengurt, der noch immer am Haken hing.
Ich hatte eine Dusche nötig.
Manches muss man als Jäger in Kauf nehmen: Nicht jede Nacht läuft so, wie du es dir vorgestellt hast. Alles, was ich wollte, waren ein paar Drinks, um mich für den Besuch im Monde zu stählen. Also machte ich mich auf den Weg zu Micky’s, das am Mayfair Hill zwischen den Schwulendiscos und den überteuerten Fetisch-Boutiquen lag. Das Micky’s ist für gewöhnlich ruhig, ein Restaurant, das nachts durchgehend geöffnet hat und in dem es nie Ärger gibt – es ist nämlich nicht nur der Ort, an den die Schwulen kommen, um bei Crepe, Bier und Delikatess-Pfannkuchen rumzuknutschen, nein, das Personal besteht außerdem aus Werwesen. So ziemlich jede Nacht trifft man dort einige Nachtschatten, die sich ein paar Drinks gönnen, sich mit menschlichem Essen vollstopfen oder einfach unter den Bildern alter Filmstars sitzen, die die Wände zieren, und Kaffee trinken.
Wenn du zur Schattenseite gehörst und nichts verbrochen hast, bist du bei Micky’s jederzeit willkommen. Und selbst, wenn du nicht ganz so unbescholten bist, bist du immer noch gern gesehen, solange du deine Rechnung zahlst und keinen Ärger machst.
Ich fuhr gerade die Bolivar Street in Richtung Mayfair hinunter, als etwas mein Bewusstsein streifte. Sofort riss ich das Steuer herum, machte kehrt und preschte zurück zur Ecke an der Achtzehnten Straße. Reifen qualmten und quietschten, hinter mir heulte eine empörte Hupe auf, und ich steuerte den Impala in eine Gasse, parkte ihn provisorisch und war innerhalb von Sekunden auf der Straße, meine Sinne messerscharf und aufnahmebereit.
Mit Wucht stieg mir die Fährte des Dings, das ich jagte, in die Nase, und ich fühlte seine Tritte mehr, als dass ich sie hörte. Wie ein Pinsel auf einer Trommel. Es bewegte sich schnell, und zwar weg von mir.
Ich rannte los, hechtete in eine Nebenstraße auf der anderen Seite und erklomm die Wand eines Hauses, indem ich mir einen Weg über die äußere Feuertreppe bahnte. Sprang aufs Dach und sprintete mit wehendem Mantel los.
Über Asphalt und Dachpappe hing noch immer der ausgedörrte Duft von Tageslicht. Doch der Gestank zerschnitt dieses Aroma. Gespeist von der Sphärenkraft, die durch die plötzlich gleißende Narbe in mich drang, stieß ich mich ab und krachte ungebremst auf das Dach eines Mietshauses. Ich rollte mich ab, verlor aber kaum an Schubkraft und war einmal mehr froh über meine Lederhose. Jeans halten einfach nichts aus.
Ich trage Leder nicht deshalb, weil mein Hintern darin gut aussieht.
Scheiße, ist das Ding schnell! Pass auf, Jill, gleich kommt eine Kreuzung. Wenn es weiter geradeaus rennt, kannst du ihm den Weg abschneiden …
Aber war ja klar, dass es nicht so einfach wurde. Ich kam hart in der Mitte der Neunundzwanzigsten Straße auf: Ich landete auf einem Knie und die Erschütterung ließ Hüfte und Schultern beben. Unter der Wucht meines plötzlichen Aufpralls rauchte der Asphalt, und Staub wirbelte hoch. Die Luft schrak kreischend vor meinem Körper zurück, mein Mantel knallte wie eine Fahne im Sturmwind. Zwei Blocks weiter war die Straßenbeleuchtung ausgefallen. Eine undeutliche Gestalt kauerte dort auf allen vieren am Boden.
Verfluchte Scheiße. Das darf doch nicht wahr sein! Doch ich war schon wieder in Bewegung, und, man höre und staune, das Ganze war kurz davor, eine interessante Wendung zu nehmen.
Denn der Hurensohn war eben durch einen Kanaldeckel verschwunden. Die verbeulte Abdeckung lag auf der Seite, aber mir blieb keine Zeit, sie mir näher zu besehen. Keine Zeit. Genauso wenig hatte ich Zeit, den Deckel wieder zuzuziehen, damit sich kein Auto die Achse brechen würde. Nein, ich schaffte es lediglich, eine Verwünschung auszustoßen, und sprang einfach. Mit angelegten Armen und Beinen machte ich mich gefasst auf das, was mich unten erwarten würde.
Außerdem hoffte ich natürlich, auf dem Weg in die Tiefe nicht irgendwo gegen zu prallen.
Mit einem Platschen kam ich an, Flüssigkeit spritzte hoch und an die bröckelnden Betonwände. Ein neuer und interessanter Gestank nach Abfall drohte mir die Schuhe auszuziehen. Vermischt mit dem widerwärtigen Geruch meiner Beute ergab das ein ganz schön vollmundiges Bouquet.
Na ja, ein Gutes hat es: Was so stinkt, kann man nicht verfehlen. Einen Hinterhalt hatte ich hier unten offenbar nicht zu befürchten. Ich zog
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