Daemonenmal
irgendwie trotzdem immer ein wenig neben der Spur, während mein Körper sich von selbst wieder zusammenflickte. Das Essen half, aber von einer Wunde, die tödlich hätte enden können, erholte auch ich mich nicht so leicht.
Jedes Mal, wenn man dem Tod ins Auge blickt, wird der eigene Körper nervös.
„Jill.“ Es war Monty, mal wieder, und mich überlief eine Gänsehaut. Doch diesmal hatte er ausnahmsweise einmal gute Neuigkeiten-gewissermaßen. „Schwing die Hufe. Der Frischling ist aufgewacht. Willst du mit ihm reden?“
14
Das Luz General ragte wie ein Ameisenhügel vor mir auf. Es ist kein katholisches Krankenhaus wie das Sisters of Mercy, aber das Gebäude ist trotzdem alt, und die Ärzte in der Notaufnahme dort kennen mich. Eva und Benito brachten ihre Besessenen zur Exorzismus-Nachbetreuung normalerweise immer hierher, aber um diese Zeit waren sie wahrscheinlich im Bett.
„Deinetwegen haben sich die Forensiker vor Angst fast in die Hose geschissen.“ Monty nahm kein Blatt vor den Mund, während er sich durch sein dünner werdendes Haar strich. Die Säcke unter seinen Augen machten meinen ernsthafte Konkurrenz. „Du hast geblutet wie ein abgestochenes Schwein. Was zum Teufel ist passiert?“
Das willst du nicht wissen, Monty. „Soll ich dir das wirklich erzählen?“ Im Gleichschritt liefen wir den Gang entlang. Harp und Dominic würden noch zu Ende essen und sich bei Anbruch der Nacht ins Barrio aufmachen, um die Werwesen zusammenzutrommeln und die Jagd zu beginnen.
Nahezu lautlos folgte uns Dustcircle. Was immer Monty davon halten mochte, dass mir auf Schritt und Tritt ein Hüne in brauner Lederjacke folgte, der aussah wie Crazy Horse verkleidet als Weißer, er sagte kein Wort. Wofür ich seltsamerweise und völlig grundlos dankbar war. Es tut gut, mit normalen Leuten zusammenzuarbeiten, die dich vielleicht nicht verstehen, aber auch nicht automatisch fürchten.
Es erinnert einen wieder daran, wofür man Nacht für Nacht auf den Straßen kämpft und blutet.
Monty schniefte. „Schätze nicht. Jedenfalls wird sich die Psycho-Abteilung eine verflucht goldene Nase mit dieser Geschichte verdienen, das steht fest. Ich musste vier von der Spurensicherung wegen eines Traumas in Behandlung schicken.“
„Überraschungen verkraften sie meistens nicht so besonders gut. Tut mir leid.“
„Es lag nicht an dir. Schuld waren die gottverdammten Werwölfe.“
„Werkatzen, Monty. Da zeigt sich mal wieder das gefährliche Halbwissen!“ Mein Mantel flüsterte schwungvoll, als wir um eine Ecke bogen. Neonlichter beschienen Wände und Boden. Es war unbarmherzig grell, brutal und krankenhausmäßig. Aber vielleicht lag es auch am Geruch nach Desinfektionsmitteln und Schmerzen, der in der Luft lag.
„Drauf geschissen.“ Er sagte das ein bisschen lauter, als er beabsichtigt hatte. Die vorübereilende Krankenschwester, eine kräftige Frau, hatte es jedenfalls gehört und warf ihm einen tadelnden Blick zu. Ihr Haar zeigte erste graue Strähnen und saß in kurz geschnittenen Löckchen auf ihrem Kopf. Mir stieg außerdem der Gestank von Schmutz in die Nase, der in jedem Krankenhaus unter dem Mantel dürftiger Hygiene lauerte. „Daran werde ich mich nie gewöhnen“, murmelte er. „Wie erträgst du das nur?“
„Mit einem fein entwickelten Sinn fürs Bizarre. Und dazu alle naselang eine gute Flasche Schnaps.“ Der menschliche Geist ist erstaunlich anpassungsfähig, Monty. Du wärst überrascht, womit man alles leben kann, wenn man es nur oft genug gesehen hat.
„Ach was, so einfach ist das also?“ Monty zeigte nach vorn, und wir gingen durch ein paar Glastüren in die Intensivstation.
Sofort lag Spannung in der Luft, und ich spürte, wie Dustcircle ein wenig näher an mich heranrückte. Das war, und ich geb’s offen zu, beinahe beruhigend. „Ganz so einfach ist es nicht. Aber Alkohol und gelegentlicher Sex helfen eine ganze Menge.“ Meine eigene Stimme klang schroff und aufgesetzt fröhlich. „Wie heißt denn unser Glückspilz hier?“ Ich hätte das eigentlich schon längst fragen sollen, aber Monty schenkte mir nicht mal einen bösen Blick.
„Cheung. Jimmy Cheung.“ Montaigne war käsig geworden. Er deutete mit nikotin-vergilbtem Finger voraus. Er hatte jahrelang Zigarren geraucht, bevor seine Frau ihn zwang aufzuhören. Aber alte Gewohnheiten und Abhängigkeiten wird man schwer los, und er kaute noch immer auf ein oder zwei Kubanischen rum, wenn ihm irgendwas wirklich an die Nieren ging.
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