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Daemonenmal

Daemonenmal

Titel: Daemonenmal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lilith Saintcrow
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„Er weiß, dass du kommst. Da runter und dann Zimmer 4.“
    Kein Scheiß, Monty? – Also das einzige Zimmer mit zwei uniformierten Wachen davor, ja? „Ist er ansprechbar?“
    Montys Schulterzucken war eine Meisterleistung an Mehrdeutigkeit. „Schätze schon, zum Großteil. Er hat ziemlich starke Schmerzmittel bekommen. Der Arzt sagt, er darf sich nicht aufregen, aber …“
    „Aber wir müssen wissen, was auch immer ich aus ihm rausbekommen kann. Ich werde ganz lieb zu ihm sein.“ Jill Kismet: ein barmherziger Engel, wie er im Buche steht. „Er fällt eindeutig in meinen Aufgabenbereich, Monty. Ich werde nett sein.“
    „Okay.“ Monty verschränkte die Arme. „Ich bin dann unten in der Kantine, wenn du mich brauchst. Ich hab dringend einen Kaffee nötig.“ Er warf einen Blick über meine Schulter, eine unausgesprochene Frage.
    „Er kommt mit mir. Verstärkung.“ Montys Augen weiteten sich, und er verlor schon wieder alle Farbe. Für so einen großen und toughen Bär von einem Mann wurde er manchmal derart blass, dass man sich Sorgen machte. „Ich erwarte keinerlei Probleme. Aber es schadet ja nicht, vorbereitet zu sein, oder?“
    „Absolut richtig. Pass einfach nur auf, dass du das verfluchte Krankenhaus nicht in die Luft jagst – den Papierkram kann ich gerade gar nicht brauchen.“ Dann machte er auf dem Absatz kehrt und ließ mich stehen. Dustcircle trat einen Schritt näher.
    Ich fühlte mich bedrängt, um’s genau zu sagen.
    Also atmete ich tief durch und riss mich zusammen. Werwesen sehen Dinge wie Privatsphäre und höflichen Abstand nun mal anders als Menschen. Während so ziemlich jeder Jäger nervös wird, wenn man ihm zu nahe kommt. Aber wenn ein Wer den Abstand dermaßen verkleinert, dann bietet er damit seine Unterstützung an. Werkatzen und -hunde sind sehr berührungsbetont, und bei Wervögeln gibt es ein ganzes ausgetüfteltes Protokoll an Verhaltensregeln für Streicheln und Putzen. Werschlangen schmiegen sich gerne direkt an deine Aura und atmen dir ins Gesicht – fehlt nur noch, dass sie wie Eskimos die Nasen aneinanderreihen.
    Von Werspinnen will ich an dieser Stelle gar nicht erst anfangen. Ich schauderte, das Haar in meinem Nacken stellte sich kurz auf. Dann beschloss ich, er sollte wissen, dass wir nicht unbedingt die allerdicksten Kumpel waren – trotz seiner netten Geste. „Gibt’s einen besonderen Grund, warum du mir so auf die Pelle rückst, Dustcircle?“
    „Aus reiner Höflichkeit.“ Er wich nicht zurück, stattdessen setzte er sich ebenfalls in Bewegung und ging dicht neben mir den Gang entlang. „Ist er ein Freund von dir?“
    „Monty? Ja, er ist einer von den Guten.“ Wir näherten uns den uniformierten Beamten, die links und rechts neben der Tür von Zimmer 4 Wache hielten. Sie war nur angelehnt. Ich bildete mir ein, Dustcircles Atem im Nacken zu spüren. Selbst für einen Wer ist das zu nah. Er soll da weg.
    Dafür war keine Zeit. Ich nickte den Polizisten zu – Tom Scarper, ein guter Cop, und sein Partner Ramon. Beide kannte ich noch aus dem Einführungskurs, den sie bei mir gehabt hatten. Sie murmelten einen Gruß. Selbst Ramon, ein echtes Schandmaul, dem ansonsten alles am Arsch vorbeiging, zog ein ernstes Gesicht.
    Dann war ich an ihnen vorbei, der Werkater immer unmittelbar hinter mir, und stand in einem Krankenzimmer voller Schläuche, schummrigem sterilem Licht und dem Klang von piepsenden Maschinen, die wie nimmermüde Wächter Herzschlag und Atmung kontrollierten.
    „Bei allen Heiligen“, flüsterte ich. Was da im Bett lag, war von Kopf bis Fuß bandagiert und hatte eine nur vage Ähnlichkeit mit einem Menschen. Wie ein Cop im Schlafrock.
    Kapiert? Cop im Schlafrock? Haha, Jill, du bist ein echter Brüller. Ich schluckte ein paarmal und trat neben das Bett. Die Hälfte von Jimmy Cheungs Schädel war rasiert, und eine feucht glänzende Linie offenliegender Nähte deutete an, wo seine Kopfhaut geöffnet worden war. Ich schätzte den Winkel der Narbe ab und spürte, wie sich das Herz in meiner Brust verkrampfte.
    Keine Werabdrücke. Das sieht nach der Handschrift einer Höllenbrut aus. Wenn ich die Finger genauso weit spreizte und dazu gebogene Klauen hätte, wäre das wahrscheinlich das Ergebnis. Also war hier vermutlich unsere Cenci am Werk gewesen, hatte das Auto wie eine Dose geöffnet und sich den Jungen hier gepackt.
    Ein braunes Auge war geöffnet. Er war wach. Sein Atem drang zischend ein und aus, ganz ohne die Hilfe eines Beatmungsgerätes

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