Daemonenmal
und verriegelt. Auf dem Schild im Fenster stand „Geschlossen“, und die Jalousien waren zugezogen. Die Hintertür war abgesperrt, und das rot-orange Energieschild des Refugiums, das die Wände einhüllte, sirrte beunruhigend. Es lag so viel Elektrizität in der Luft, dass es knisterte. Das Unwetter würde nicht mehr lange auf sich warten lassen. Es war, als würde die ganze Welt den Atem anhalten und auf den großen Paukenschlag warten. Es herrschte drückende Schwüle, und die Spannung spornte die Leute zur Eile an.
Ich klopfte an Galinas rot gestrichene Hintertür. Die Zeit verging, ohne dass sich etwas tat, und mir wurde mulmig zumute. Ich konnte nicht einfach einbrechen und in ihrem Haus herumstöbern, ohne es mit den Abwehrmechanismen des Refugiums zu tun zu bekommen. Und wenn sie nicht öffnete, dann entweder, weil sie nicht da war oder weil sie in ihrem Allerheiligsten arbeitete. Das Letztere war wahrscheinlicher -Bewahrer gehen nicht oft aus.
Aber wer zum Teufel hat mich dann von hier aus angerufen? Und würde sich Galina vor die Tür wagen, wenn ein wild gewordener Werfreak die Straßen unsicher macht? Mal ganz abgesehen von dieser Höllenbrut.
Ich dachte darüber nach und betrachtete das Flachdach über mir.
Einige Augenblicke später war ich oben und kundschaftete alles genau aus, ich tastete sogar das Gewächshaus ab, in dem Galina alles Mögliche Zeug anbaute. Wo sonst sollte man Nieswurz und Alraunen herbekommen, wenn nicht vom Bewahrer deines Vertrauens?
Das gefällt mir nicht. Von wem kam der Anruf? Wo steckt Galina?
Meine Stiefel waren schwarz von getrocknetem Blut, und sie quietschten. Gelegentliche kleine Windböen ließen meinen Mantel immer wieder aufflattern. Die Narbe pulsierte, als würde sich tonloses, triefendes Gelächter über meine Haut ergießen.
Selbst die Rettungsluke hinter einem der Stromaggregate wollte sich nicht öffnen lassen. Ich kroch an den Sims und blickte hinunter auf die verlassene Straße. Mir schwante Übles.
Ich spürte ein Kribbeln im Rücken, als würde mich jemand beobachten. Drehte ich jetzt völlig durch? Ich hatte in letzter Zeit weiß Gott meine Schwierigkeiten, was innere Ausgeglichenheit anging. Kann vorkommen, wenn man dem Tod an ein und demselben Tag gleich zweimal von der Schippe springt.
Es ist nicht der Tod, der dir Sorgen macht, Jill. Sondern ein Werwesen. Um ganz genau zu werden: ein Wermännchen, das „besitzergreifend“ wird, wie Harp es so schön formuliert hat.
Ich strengte mich nach Kräften an, meine Gedanken in andere Bahnen zu lenken. Konzentrier dich, Jill.
Ich beugte mich ein Stück weit über die Dachrinne, um einen Blick auf die Ladenfront zu werfen. Zerknülltes Papier wehte raschelnd über den Gehsteig. Ich atmete den Geruch von Diesel ein. Eine mächtige Ladung grün-graues Flusswasser-Aroma wehte mir entgegen und ich roch den Ozonatem des heranwalzenden Gewitters. Straßenlaternen erwachten flackernd zum Leben und tauchten alles in künstliches Zwielicht.
Einen Block weiter oben stand eine Kabine aus Glas und Metall. Instinktiv stellten sich mir alle Haare auf. Mir wurde eiskalt, ich atmete schneller, und meine Brustwarzen pikten hart wie Kieselsteine durch das T-Shirt. Telefonzelle. Galinas Nummer ist auf ihr Schaufenster geklebt, und mein Pager ist nicht gerade ein Staatsgeheimnis. Ich hin ein gottverdammter Idiot.
Der Mantel aus rot-oranger Energie über dem Haus erzitterte wie ein bockendes Pferd.
Ich erstarrte.
Hinter mir hörte ich überdeutlich, wie sich ein Abzug spannte.
„Keine Bewegung“, sagte Navoshtay Siv Cenci mit angenehmer, heller Stimme. „Den Blick immer schön auf der Straße lassen, Jägerin.“
Man hat schon öfter auf mich geschossen, Höllenbrut. Aber ich rührte mich nicht vom Fleck, Gänsehaut überzog meinen Rücken – hinter mir stand die Höllenbewohnerin, die mich um Haaresbreite ausgeweidet und Harp zu Hackfleisch verarbeitet hätte, und sie hatte eine Waffe. Das Klicken klang nach einem Großkaliber. Aber vielleicht lag auch das nur an meinen überreizten Nerven.
Hinter mir. Sie musste über das Vordach gekommen sein. Hatte sie mich von unten aus beobachtet? Woher hatte sie meine Pagernummer? Auch wenn die kein großes Geheimnis war …
Ich hoffe für dich, dass Galina in ihrem Allerheiligsten ist. Wenn du sie auch nur angerührt hast, töte ich dich. Wut kochte in mir hoch – und ließ sich wieder beruhigen, auch wenn ich vor Anstrengung zitterte. Ich hatte damit zu kämpfen,
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