Damals im Dezember
Sean dermaßen, dass Candace und ich ihn schließlich zurück ins Hotel bringen mussten. Er übergab sich im Taxi, woraufhin der Fahrer einen Anfall bekam. Ich kann kein Französisch, aber ich musste nicht verstehen, was er sagte. Schließlich gab ich ihm fünfzig Euro Trinkgeld, um ihn zu beruhigen.
Die folgende Woche verbrachten Candace und ich die meiste Zeit fern von den anderen am Strand, wo wir in der Sonne lagen, lasen und Champagner oder Cognac tranken. Candace allerdings bevorzugte meist fruchtige Drinks, zu denen auch einer namens Saint-Tropez gehörte. Abends trafen wir uns mit der restlichen Clique zu irgendeinem exotischen Essen.
Am Nachmittag unseres zehnten Tages in Saint-Tropez kam Sean zu mir an den Strand. Ich war gerade allein und las einen Thriller von Vince Flynn. Candace war vor einer Stunde auf unser Zimmer gegangen, um sich zu duschen und uns einen Tisch in einem Restaurant zu reservieren.
»Es ist Zeit abzureisen«, sagte Sean. Er war außer Atem und hatte merkwürdige Sachen an. Er trug eine Baskenmütze und eine dunkle Sonnenbrille von Vuarnet.
»Wovon sprichst du?«
Seine Stimme klang schrill. »Ich mein’s ernst. Wir müssen weg. Ich habe ein Auto, das auf uns wartet.«
Obwohl die Sonnenbrille seine Augen verdeckte, war seine Angst offensichtlich. Es war das erste Mal, dass ich ihn aufgewühlt erlebte.
»Wir müssen einfach aufbrechen. Ich erklär’s später.«
Ich musterte ihn einen Moment lang und fragte dann: »Wohin fahren wir?«
»Nach Cannes. Es liegt weniger als hundert Kilometer entfernt von hier. Beeil dich, das Auto wartet.«
Sein fordernder Ton verärgerte mich. »Hör mal, Candace und ich werden dich da einfach treffen.«
»Nein, das geht nicht«, sagte er schnell. »Wir müssen alle zusammen los.«
Ich sah in an und fragte mich, was er vorhatte. Für sein Benehmen gab es zweifellos einen Grund. »Also gut. Ich hole Candace.«
»Das Auto parkt in der Straße südlich vom Hotel. Geh durch die südliche Tür und dann runter zur Straße.«
»Warum parkst du den Wagen nicht einfach vor dem Eingang?«
»Das können wir nicht machen.«
»Was ist denn los, Mann?«
»Nichts. Wir müssen einfach weg hier. Wo ist Candace?«
»Sie ist auf dem Zimmer.«
»Sag ihr, dass wir zwanzig Minuten haben. Denk dran, nicht durch die Lobby rauszugehen. Geh zur Hintertür raus und nimm den Weg zur nächsten Straße, in der Nähe der Bäckerei, in der wir gestern waren.«
»Ich muss noch auschecken.«
»Nein«, fuhr er mich an. Er muss gemerkt haben, wie angstvoll er klang, weil seine Stimme ruhiger wurde. »Das kannst du auch noch online von Cannes aus machen. Geh nicht in die Lobby runter.«
»Wir werden ein paar Minuten brauchen«, sagte ich. »Wir müssen erst noch packen.«
»Beeil dich einfach«, drängte er. »Bitte.« Er blickte sich um und entfernte sich dann von mir.
Noch erstaunlicher als das Gespräch war der Umstand, dass er tatsächlich bitte gesagt hatte.
Ich unterschrieb unsere Rechnung für die Strandbar, sammelte meine Sachen zusammen und ging hinauf in unser Zimmer. Candace war im Bad und schminkte sich. »Hallo Schatz«, sagte sie. »Ich habe für uns einen Tisch im Hof der Auberge des Maures reserviert. Der Portier meinte, wir sollten das Lammfleisch probieren.«
»Das müssen wir verschieben«, sagte ich. »Anscheinend verlassen wir die Stadt. Sean hat unten ein Auto, das auf uns wartet.«
Sie kam aus dem Badezimmer. »Was?«
»Sean sagt, dass wir aufbrechen müssen.«
»Warum?«
»Das weiß ich nicht, aber irgendetwas stimmt nicht. Er hat Angst. Richtige Angst.«
»Angst wovor?«
Ich hob die Schultern. »Keine Ahnung.«
»Warum fahren sie nicht einfach ohne uns?«
»Das habe ich auch gesagt, aber er meinte, dass wir alle aufbrechen müssen. Die Art, wie er das sagte, hat mich irritiert.«
»Glaubst du, dass irgendjemand hinter ihm her ist?«
»Schon möglich.«
Sie ging zurück ins Badezimmer. »Vermutlich ein eifersüchtiger Ehemann.«
»Wer auch immer es sein mag, Sean ist völlig aus dem Häuschen.«
***
Wir packten unsere Sachen und schlüpften aus dem Hintereingang des Hotels nach draußen, wie Sean es verlangt hatte. Lucy winkte uns zu, als wir uns dem Lieferwagen näherten. Der Fahrer verstaute unser Gepäck rasch hinten im Wagen und stieg ein. Sean saß zusammengesackt auf dem Rücksitz und wirkte so nervös wie eine Gazelle im Löwengebiet. Sobald wir eingestiegen waren, sagte Sean zum Fahrer: »Auf geht’s. Dépêche-toi.«
Der
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