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Damaskus im Herzen.. - und Deutschland im Blick

Titel: Damaskus im Herzen.. - und Deutschland im Blick Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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mit nur hundert französischen Wörtern, davon siebzig hinkende und zwanzig verwahrloste, und was ist, wenn die Bediensteten mich nicht verstehen und mich nicht zu ihm lassen? Am besten den Selbstsicheren herauskehren. Hier steht es (Papiergeräusch, dann lieblich gekünstelt): Guten Tag, Madame, könnte ich bitte schön … Oh nein, das hört sich nach Klinkenputzer an. (Noch gekünstelter, so wie in der Werbung) Ja, Madame, hier habe ich ein Parfum, sehr schön die Verpackung, und riecht erotisch. (Ernst und herrisch) Jetzt genug gequasselt. Nimm dich zusammen. Du musst und du kannst zu ihm hineinkommen. (Schritte auf der Treppe, und wie auswendig gelernt wiederholend) Ich bin ein Urenkel von Adelbert von Chamisso … Schami … Chamisso … So, so, was heißt Urenkel auf Französisch? … Einem Freund von Herrn Heine. (Klopft. Man hört Schritte, dann geht die Tür auf.)
    MATHILDE: Bonjour, Monsieur.
    R. S. (etwas hastig): Guten Tag, Madame, könnte ich Herrn Heine sprechen?
    MATHILDE (höflich): Wen darf ich melden?
    R. S.: Rafik Schami … sagen Sie Herrn Heine, ich bin ein Urenkel seines Freundes Chamisso.
    MATHILDE: Einen Augenblick bitte! (Schritte…) Enri (die Stimme rückt immer ferner), ein Herr aus Deutschland, ein Urenkel von Chamisso.
    R. S.: Mein Gott, das ist also Mathilde. Sie ist wirklich schön. Etwas mollig, aber eine bezaubernde Erscheinung.
(Man hört die Stimme Heines, freundlich und ungeduldig: Treten Sie ein mein Herr, treten Sie ein.)
    MATHILDE (kommt zur Tür): Entschuldigung, das Personal ist gerade unterwegs, kommen Sie herein. Bitte.
    R. S.: Merci, Madame. (Schritte) Guten Tag, lieber Herr Heine. Mein Name ist Rafik Schami, ich komme aus Damaskus und bin ein Urenkel Chamissos.
    HEINRICH HEINE (H. H.) (verwundert und belustigt): Was? Hat der alte Weltenbummler auch in Damaskus Kinder gezeugt?
    R. S. (verlegen): Nein, nein! Nicht im leiblichen, sondern im dichterischen Sinne.
    H. H.: Ach so! Wie auch immer, wenn Sie in Verwandtschaft zu ihm stehen, welcher auch immer, sind Sie mir sympathisch. Ich liebe den Kerl. Das Herz dieses Mannes hat sich in der letzten Zeit so wunderbar verjüngt, dass er in ganz neue Tonarten überging und sich als einer der eigentümlichsten und bedeutendsten modernen Dichter geltend machte (hält kurz inne) und erst recht sein Schlemihl !!! Aber sagen Sie, Sie sind doch nicht etwa im Exil, wie, mein Freund?
    R. S.: Doch, doch, seit 25 Jahren: die Hälfte meines Lebens …
    H. H.: Das ist ja allerhand. In Deutschland? Ja, geht es Ihnen zu Hause so schlecht, dass Sie ausgerechnet nach Deutschland… (Hält inne) Man geht nach Frankreich, in die Schweiz, nach Amerika, aber nach Deutschland?
    R. S.: Die Deutschen sind besser als ihr Ruf …
    H. H.: Ich weiß, ich weiß. Eine große Vorliebe für Deutschland grassiert in meinem Herzen, sie ist unheilbar. Aber wie finden Sie es?
    R. S.: Andere Völker mögen gewandter sein, und witziger und ergötzlicher, aber keines ist so treu wie das deutsche Volk. Wüsste ich nicht, dass die Treue so alt ist wie die Welt, so würde ich glauben, ein deutsches Herz habe sie erfunden.
    H. H. (lacht): Das ist von mir.
    R. S.: Gewiss, diese Diagnose gilt bis heute im Guten wie im Schlechten.
    H. H.: Und Sie sind Syrer, welch ein Glück für Sie. Die Orientalen sind ein gescheites Volk, sie verehren einen Verrückten wie einen Propheten, wir aber halten jeden Propheten für verrückt.
    R. S.: Das war zu Ihrer Zeit vielleicht. Im Orient von heute verfolgen sie jeden Vernünftigen, bis er wahnsinnig wird, und stecken ihn dann in die Psychiatrie. Überhaupt ist unser Jahrhundert ein Jahrhundert der Vertreibung und des Exils geworden.
    H. H.: Und was haben Sie verbrochen?
    R. S.: Ich bin für die Versöhnung zwischen Arabern und Juden eingetreten. Etwa zwanzig Jahre zu früh. Dafür muss ich bis heute zahlen.
    H. H.: Ich kam immer in der Welt überall zu früh; dieses undmeine falsche Position, die das Exil mit sich führt, waren mein Unglück. Aber, was führt Sie zu mir?
    R. S.: Sie werden in diesem Jahr zweihundert und sind so lebendig wie noch nie. Man feiert Sie überall, und ich habe die Ehre angetragen bekommen, Sie zu interviewen.
    H. H. (verwundert, fast stotternd): Man feiert mich in Deutschland? In meinem geliebten Vaterland?
    R. S.: Ja, und zwar groß. Sie haben alle Ehrungen bekommen, die einen Dichter unsterblich machen. Straßen, Literaturpreise und sogar die Universität Ihrer Stadt Düsseldorf heißt Heinrich Heine

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