Damian
erneut mit Brandy füllt:
„Er lebt in Kanada ein sehr abgeschiedenes Leben. Wir sehen uns nicht oft.“
„Aber Sie haben es doch offensichtlich zu etwas gebracht. Sie haben dieses wunderschöne Haus, einen Beruf der bestimmt sehr interessant ist und sind finanziell unabhängig. Gibt es denn niemanden, mit dem Sie all das teilen können?“, wagt sie sich vor und schaut zu, wie Cunningham mit einem neuen Glas Brandy zu ihr kommt und sich in den Ledersessel ihr gegenüber setzt.
„Sie meinen, ich könnte doch zufrieden sein, mit all dem Geld und Wohlstand“, entgegnet er gereizt und Rachel bemerkt, wie sein Gesichtsausdruck sich erneut verhärtet. Wann er wohl das letzte Mal gelächelt hat? , fragt sie sich unvermittelt.
„Reichtum ersetzt nicht das, was der Professor und sie besitzen.“ Rachel schaut ihn neugierig an. „Liebe und Vertrauen ist mehr wert, als alles Geld und Gold auf dieser Erde“, gibt er leise zu und senkt den Blick, um in das Glas zu starren, das er in seiner Hand hält. Rachel bemerkt, dass Cunningham, das erste mal seit sie ihn kennengelernt hat, etwas sehr privates über sich preisgibt. Und das Verrückte daran ist, sie weiß nicht, was sie darauf antworten kann oder soll. Also hält sie den Mund und sieht zu, wie er erneut das Glas an die Lippen setzt.
„Warum haben sie mich vorhin geduzt?“, platzt es dann doch aus ihr heraus und Damian hat Mühe sich nicht zu verschlucken.
„Bitte?“, bringt er mühsam hervor und räuspert sich.
„Vorhin, als ich meine Tür öffnete. Da fragten sie mich, ob es mir gut ginge. Und sie sagten Du zu mir.“ Was um Himmels Willen ist in sie gefahren, ihm so eine Frage zu stellen? Schon merkt Rachel, wie ihre Wangen anfangen zu glühen und ihr ihre Neugier peinlich ist.
„Ich weiß nicht…es ist mir wohl so herausgerutscht“, gibt er zu und erinnert sich noch sehr lebhaft an den Traum, den er nur wenige Minuten zuvor von ihr hatte.
„Oh“, ist alles, was sie enttäuscht über die Lippen bringt. Aber was hatte sie denn auch erwartet? Rachel erinnert sich ihrerseits an den Traum, den sie unmittelbar vor diesem ohrenbetäubenden Knall hatte und blickt verlegen in das Glas in ihren Händen. Es war ein sehr romantischer Traum und wenn sie jetzt den Blick hebt, um Cunningham anzusehen, wird sie mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit knallrot werden, denn ausgerechnet er spielte die Hauptrolle in diesem Traum.
Die Stille, die sich erneut zwischen ihnen ausbreitet, ist inzwischen fast unerträglich.
„Wenn Du möchtest, dann können wir doch dabei bleiben“, unterbricht Cunningham endlich das Schweigen. Rachel blickt auf und wieder schlägt Damians Herz beim Blick in ihre Augen einen Tick schneller. Gott, wie er es hasst, keine Farben zu erkennen. Rachel lächelt ihn verlegen an und nickt zustimmend. „Damian“, gibt Cunningham in seiner unnachahmlich kurz angebundenen Art preis. Beinahe wäre es aus Rachel herausgeplatzt: ja, ich weiß. Aber irgendwie schafft sie es, sich auf die Lippen zu beißen und schenkt ihm dafür erneut ein winziges Lächeln.
„Damian Cunningham, also“, sagt sie nach einer Weile leise und nippt erneut an ihrem Glas. In ihrem Traum hat sie ihn genau mit diesem Namen angesprochen. Seltsam.
Allmächtiger! Damian hat noch nie zuvor eine Frau seinen Namen so sinnlich aussprechen gehört. Es ist ein Name, mehr nicht und doch hört es sich so unglaublich sanft und schmeichelnd an, wenn sie ihn sagt. Irgendetwas läuft hier gerade schief, ganz gewaltig schief sogar. Hatte er sich nicht vorgenommen, ihr möglichst aus dem Weg zu gehen? Und jetzt hat sie innerhalb von nicht einmal zwanzig Minuten mehr über ihn erfahren, als er jemals zulassen wollte. Diese Frau bringt ihn noch dazu Vertrauen zu haben und doch weiß er nur allzu gut, das Vertrauen trügerisch ist. Tausende Geschichten könnte er erzählen, darüber, wie sein Vertrauen missbraucht, ausgenutzt und mit Füßen getreten wurde. Und ausgerechnet dieses junge, sterbliche Ding ihm gegenüber schafft es doch tatsächlich, ihm private Dinge zu entlocken. Vorsicht, Rachel Fletcher, du spielst mit dem Feuer und weißt es nicht einmal.
„Es ist spät geworden“, stellt Damian fest und erhebt sich, um den gemeinsamen Abend zu beenden.
„Wann wirst Du im Krankenhaus anrufen?“, erkundigt sich Rachel und die Vertrautheit, die dieses Du mit sich bringt, ist ihr doch noch sehr fremd.
„In einer halben Stunde.“ Ein kurzer Blick auf die antike Wanduhr
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